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Es muss nicht immer Gotthelf sein

Emmentaler Liebhaberbühne • «Anne Bäbi im Säli» von Beat Sterchi ist für Ulrich S. Eggimann das geeignete Stück, um der weitverbreiteten «Gotthelf-itis» entgegenzuwirken. Das Ensemble zeigt auf der Bühne mit viel Witz und Humor alles andere als eine heile Welt.

| Jürg Amsel | Kultur
Leute auf der Bühne
Theaterprobe im «Ochsen-Säli»: Die Inszenierung der deutschen Profiregisseurin von Gotthelfs «Anne Bäbi Jowäger» kommt nicht bei allen gut an. Bild: Patrick Pfeiffer/zvg

«Es muss ein Gotthelf sein, damit das Publikum in Scharen die Aufführungen besucht.» Das ist für die Theatergruppe in Beat Sterchis Bühnenstück klar. Sie plant, im «Ochsen» Gotthelfs «Anne Bäbi Jowäger» aufzuführen. Doch bereits bei der Besetzung der Rollen tauchen die ersten Probleme auf. Und im Verlaufe des Spiels auf der Bühne wird es noch viele weitere geben.

«Publikumserfolg stellt sich ein, wenn ein Gotthelf zum Besten gegeben wird. In der Schweizer Volks­theaterszene ist diese Meinung weitverbreitet. Und nicht wenige verbinden unsere Liebhaberbühne mit dem Dichterpfarrer aus dem Emmental und einer scheinbar heilen Welt», sagt Ulrich S. Eggimann. 

Beat Sterchi hat im Gotthelfjahr 2004 – Pfarrer Albert Bitzius verstarb am 22. Oktober 1854 – im Auftrag von Theater Biel-Solothurn «Anne Bäbi im Säli» geschrieben. In seinem Bühnenstück beschreibt er eine Welt, in der vieles nicht mehr so ist, wie es bei Gotthelf nie war. Ein Jahr später wurde Sterchi für seinen «etwas anderen Gotthelf» mit dem Literaturpreis des Kantons Bern ausgezeichnet.

Diskrepanzen und Dispute

«Warum nicht wir?» Ulrich S. Eggimanns rhetorische Frage sei bei der Stückwahl für die neuste Produktion der Emmentaler Liebhaberbühne mitent­scheidend gewesen, sagt ein äus­serst zufriedener Regisseur nach der Premiere im Casino Theater Burgdorf. 

Eggimann darf zurecht stolz sein auf seine Truppe. Die acht Spielerinnen und Spieler überzeugen durchwegs mit Textsicherheit und grossem schauspielerischem Können. Sie meistern es ohne Probleme, die Szenen des «echten» Gotthelfs und der «reellen» Welt aller auf der Bühne darzustellen.

Kein leichtes Unterfangen. In Sterchis Stück übernimmt Dagmar Brenzikofer-Aeschlimann die Rolle von Anne Bäbi. Wie in Jeremias Gotthelfs Roman ist sie auf der Bühne als resolute Bäuerin zu sehen. Sie unterlässt nichts, um ihr einziges Kind, Jakobli, mittels Quacksalberei und Aberglauben von seinen Blattern zu heilen und ihn mit Lisi vom Ziberlihoger zu verkuppeln. Beides misslingt ihr. Die Quacksalberei nützt wenig und Jakobli setzt sich schliesslich bei der Wahl seiner Zukünftigen gegen den Willen seiner Mutter durch. 

Bei den Proben im Säli des «Ochsen» wird deutlich: Zwischenmenschliche, private Probleme führen zu Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern der Theatergruppe. Die Abneigung gegen die Anweisungen der deutschen Profi­regisseurin, wie sie den ausgewählten Gotthelf inszenieren will, machen alles nicht einfacher. Die Diskrepanz zwischen Theaterrealität und dem Alltag der dörflichen Gemeinschaft wird im Stück gnadenlos aufgedeckt.

Zu guter Letzt ist da noch die Serviertochter im «Ochsen». Sie passt kaum ins beschauliche Emmental. Für die ­Theatergruppe jedoch die geeignete Person, wegen einer fehlenden Spielerin die Rolle der Erzählerin zu übernehmen. Bei Sterchi stammt sie aus Kroatien. Bei der Emmentaler Liebhaberbühne ist es eine Ukrainerin. Für Ulrich S. Eggimann ein Glücksfall. «Per Zufall habe ich bei einem Besuch bei Freunden die Bekanntschaft mit Viktoriia Paramonova gemacht. Sie stand bereits bei der ‹Jungen Bühne Bern› auf der Bühne. Viktoriia war bereit, die Rolle zu übernehmen und hat sich hervorragend ins Ensemble eingefügt. Für uns alle war ihr Mitmachen eine Bereicherung», so der Regisseur.

Dass trotz aller Dispute – oder sind es gerade die vielen Unstimmigkeiten? – immer wieder herzhaft gelacht werden darf, ist den mit Witz und Humor gespickten Dialogen geschuldet.


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