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Das Wasser des Lebens, das Gold aus Gerste

Whisky | Doris Conrad hat einen ockergelben Schatz im Keller: Single Malt. Über 300 Flaschen sind es – wo, sagen wir nicht, aus Sicherheitsgründen.
Die Frau, die das flüssige, schottische Gold seit 20 Jahren sammelt, kennt sich aus damit, aber vor allem liebt sie es.

| Sonja Laurèle Bauer | Begegnung
Whiskey
Doris Conrad. Bild: zvg

Doris Conrad ist eine elegante Erscheinung. Dass sie auch ein Gourmet ist, kann man ruhig annehmen. Auf jeden Fall ist sie eine Frau, die Stil, Klasse und Geschmack hat. Sie ist grosszügig, aber zurückhaltend, eher still, doch tiefgründig.
Der Keller, in den sie die Besucherin führt, ist cosy, um es in Englisch, der Sprache der Heimat ihrer Leidenschaft, des Whiskys, auszudrücken: behaglich. «Die Schotten schreiben den Whisky ohne ‹e›, nicht wie die Iren und die Amerikaner», erklärt sie. In ihrem Whiskykeller steht – ausser dem Single Malt – auch ein Klavier, an das sich Conrad manchmal setzt und spielt.
Auffällig sind die Farben des Kellers: Es sind jene der Provence – Gold, Gelb, Ocker, Rotbraun, Bordeaux. «Es sind aber eben nicht die Farben der Provence, sondern jene Schottlands», so Conrad, die die grünen Highlands mit ihren Menschen, Schafen und Cows liebt. Doch «Schottlands Farben» waren nach der Destillierung erst lange in grossen Holzfässern verborgen, bevor sie nun Doris Conrads Besuchern durch Glas(-flaschen) entgegenstrahlen können. Wie kam die Liebe zum Whisky, Frau Conrad? Ist sie doch, könnte man meinen, meistens den Männern vorbehalten? «Mein Mann mag lieber Wein, er kann mit Whisky wenig anfangen», lacht die Whisky-Aficionada. «Ich entdeckte meine Freude am Single Malt, weil mich sein rauchiger Geschmack betörte. Der Whisky schmeckte für mich geheimnisvoll, wie Geschichten aus alten Zeiten.» Heute, durch viel Erfahrung mit dem alten Getränk, liebe sie dessen Geschmacksvielfalt, die weit über das Rauchige hinausreiche, so Conrad, die 30 Jahre lang in der Administration des Tiefenau-Spitals arbeitete – bis zu dessen Schliessung. Übrigens werde der Whisky immer aus speziellen Gläsern getrunken und immer ohne Eis. «Viele Whiskynamen leiten sich von ‹Glen›, das Tal, ab, wie zum Beispiel Glenfiddich; oder von Ben, was Berg heisst.»
Ob es der Whisky war, der sie zuerst nach Schottland zog, oder umgekehrt, kann Conrad nicht mehr mit Sicherheit sagen. «Ich war bereits öfter in Schottland. Besuchte die Brennereien, alte und neue.» Sie liebt den Single Malt, also den Scotch, den schottischen Whisky. Mit Schweizer Whisky kann sie weniger anfangen. «Auch die Japaner haben eine grosse Whisky-Kultur», weiss sie. «Doch ich wollte meine Aufmerksamkeit dahin lenken, wo ich die Leidenschaft dafür habe.»
Zu ihrem Wissen kam Doris Conrad durch Literatur und Workshops und den Besuch der Brennereien vor Ort in Schottland. Hierzulande besucht sie Anlässe zum Thema, Dinners und Whiskymessen in der ganzen Schweiz und im Ausland. Am liebsten ist ihr hierzulande das Whiskyschiff auf dem Hallwilersee. «Der Anlass ist klein, aber fein.» Organisator Thomas Herrmann habe sie mit neuen Whiskys zum Probieren ausgestattet, lacht sie. Man kennt sie in der Szene. Der nächste Anlass auf dem Schiff findet übrigens am 27. und 28. September statt. Ansonsten trifft sie sich gern privat mit Gleichgesinnten zu Whiskytreffen.

300 Flaschen flüssiges Gold

Doris Conrad hat bis heute über 300 Flaschen Single Malt zusammengetragen. So viele unterschiedliche Whisky-Sorten probierte sie, dass sie sofort weiss, was sich im Glas in ihrer Hand befindet. Lange bevor sie die Etikette der Flasche sieht. Nach welchen Kriterien sucht sie das flüssige Gold im Keller aus, wenn sie Lust auf Whisky hat? «Ich nehme die Flasche, nach deren Inhalt ich mich fühle», sinniert sie. «Im Winter trinke ich lieber die etwas rauchigeren Sorten, im Sommer bevorzuge ich die leichteren, fruchtigeren, aber auch dann nur in Kleinstmengen.» Die teuren Flaschen öffne sie nur bei speziellen Anlässen. «Man trinkt ja stets nur ein Glesli.» Dies unterscheide den Whisky von Bier oder Wein, wo man die Flasche in Gesellschaft meist leere.

Der Liebestrank

Jede Liebe hat einen Ort. Bei Doris Conrad ist es die Destillerie Lagavulin auf der schottischen Insel Islay. Der Name Lag a’ Mhuillinn bedeutet in Gälisch «die Mulde der Mühle». Mit ihren direkten Nachbarn Laphroaig und Ardbeg bildet sie die Gruppe der «Kildaton-Brennereien». In Lagavulin also bekam Doris Conrad zwar nicht den ersten Kuss, aber den ersten Schluck. «Ich schmecke jetzt noch den Rauch auf der Zunge … Da nahm es mir den Ärmel rein.»
Auch Bekannte von Doris Conrad lies­sen sich durch sie zur Whisky-Leidenschaft hinreissen. «Einer meiner Bekannten lernte sogar Dudelsack spielen, um der schottischen Kultur zu frönen.» Ja, im Geschmack des Whiskys stecke die Landschaft Schottlands, der schottische Geist, Schottlands Geschichte, seine Songs. Es gebe sogar einen Spruch, so die Whisky-Liebhaberin: «Der Whisky ist so vielfältig wie Schottlands Wetter.» Die Schotten sagten untereinander: «Wenn dir unser Wetter nicht passt, warte einfach zehn Minuten und es wird anders sein.» So sei es auch mit dem Whisky: «Fahre einfach zehn Minuten und er schmeckt anders. Jede Destillerie hat ihr Geheimnis in Bezug auf den Gerstentrank.» Denn eigentlich sei das Brennen von Whisky nur die Weiterführung des Bierbrauens. Gerste sei die wichtigste Getreideart für dessen Produktion. «Aus Gerste (englisch: barley) wird Malz gewonnen, das die Grundlage für Single Malts bildet.»
Sie denkt nach: «Wahrscheinlich kenne ich beinahe jede Destillerie in Schottland», lacht sie. Vor allem den Norden liebe sie. «Orkney, der Archipel nahe der Hauptinsel Mainland mit seinen 70 kleinen Inseln, fasziniert mich sehr. Hier ist man nahe an Schottlands Geschichte, kann sie beinahe fühlen.» Warum? «In Orkney versenkten die Schotten im Ersten Weltkrieg ihre Schiffe, liessen nur deren Heck aus dem Wasser ragen. So entstand eine Absperrung, ähnlich den Panzersperren auf dem Land, die verhinderte, dass der Feind auf dem Wasserweg durchdringen konnte.»
Auch von der Kapelle erzählt sie, welche die Italiener dorthin bauten, um für ihre Soldaten zu beten …

Dudelsack und Schweizer Tracht

Doch zurück zum Whisky, dessen Name vom gälischen Begriff «Uisge Beatha»
stammt, was für «Wasser des Lebens» steht. Wie alt ist Ihr ältester Whisky,
Frau Conrad? «Die älteste Flasche ist wahrscheinlich an die 40 Jahre alt.» Und die teuerste? «Wahrscheinlich über 1000 Franken.» Was für ein Fest braucht es denn, um diese zu öffnen? Doris Conrad lacht – und lässt die Frage im Raum stehen, sagt stattdessen: «Mir gehts nicht darum, möglichst teure Flaschen zu besitzen, sondern um den Geschmack des Produkts.» Und: «Je höher die Volumenprozente eines Whiskys sind, desto länger bleibt er nach dem Öffnen geniessbar.» Dies werde «fassstark» genannt im Jargon. Doris Conrad liebt Schottlands Tradition. Aber sie liebt auch jene der Schweiz. So tanzte sie in ihrer Jugend Folkloretänze. «Ich finde Trachten schön», sagt sie, «und ich stehe auch für die kulturellen Schweizer Traditionen ein.» Sie spielte jahrelang Schwyzerörgeli, «heute leider nicht mehr so oft.» Heute wandert sie gern und oft. Auch gemeinsam mit ihrem Mann. Oder sucht Pilze. Oder joggt, liest, hört Musik und geniesst die Gesellschaft ihrer Katzen.
Ihr Grossvater mütterlicherseits war ein «Dängeler», ein Küfer. Das waren jene Handwerker, die Holzfässer machten. Kann es sein, dass die Liebe zum mit Wasser und Hefe vergorenen und zum Brand destillierten Eichenholz-Fassgetränk – die Spirituose muss mindestens drei Jahre gelagert werden, um Whisky genannt werden zu dürfen – gar genetisch ist? «Wer weiss … ?!», schmunzelt sie und sagt auf Gälisch: «Slainte Mhath: Gesundheit.»




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