Der Schatzsucher auf dem Belpberg
Belpberg | Rupert Spillmann ist leidenschaftlicher Hobbyarchäologe. Seit Jahrzehnten liebt er die Suche nach Überresten vergangener Zeiten. Dabei fand er schon die ein oder andere Kostbarkeit.
Beim Betreten von Rupert Spillmanns Haus erinnert nichts an Indiana Jones, den bekanntesten fiktiven Archäologen aller Zeiten. Kein Filzhut, keine Peitsche liegen herum. Dafür warten in einem Teil seines Zuhauses ein Stethoskop und andere medizinische Instrumente auf ihren Einsatz. Spillmann ist praktizierender Hausarzt und empfängt seine Patienten in seinen eigenen vier Wänden, in denen er eben auch seinen Arbeitsplatz eingerichtet hat. Zudem hängen Gemälde an der Wand, Bücher füllen reihenweise Regale und unterschiedliche Kunstgegenstände zeugen von Spillmanns Faszination für die kreative Schöpfungskraft von Menschen.
Eines zeigt sich also schnell: Menschen sind Spillmann wichtig, sowohl deren körperliche Gesundheit als auch deren Geschichte und Fähigkeiten. Doch nicht nur lebende Menschen ziehen ihn in den Bann. Gerade auch das Leben von Menschen aus vergangenen Zeiten interessiert den Mann, vor allem auch, was diese uns hinterlassen haben. Seit Jahrzehnten sucht Spillmann deshalb nach Überbleibseln aus vergangenen Zeiten. Dabei erlebte und erlebt er viel Spannendes. Vor allem ein Erlebnis aus jüngster Vergangenheit ist ihm wichtig.
Die Suche nach dem Schatz
Bevor er zu erzählen beginnt, macht es sich Spillmann auf einem bequemen Sessel gemütlich. Er stellt sich eine Tasse Kaffee auf den Tisch und beginnt zu erzählen. Nachdem er 1999 einen Zeitungsartikel gelesen habe, in dem von einem Schatz auf dem Belpberg die Rede gewesen sei, habe er sich mit einem Freund zusammen auf die Suche gemacht. «Natürlich fragten wir den betroffenen Bauern, ob wir auf seinem Land suchen dürften», sagt Spillmann. Der Bauer zeigte sich gemäss Spillmann interessiert und liess die beiden gewähren. Im Spätherbst desselben Jahres hätten die beiden mit einem Metalldetektor ausgerüsteten Hobbyarchäologen Münzen aus vergangenen Zeiten gefunden. Spillmann trinkt einen Schluck Kaffee aus einer Tasse, auf der verschiedene Münzen abgebildet sind. «Wir haben den Fundort wiederentdeckt.»
Systematische Suche
Spillmann erzählt weiter, dass sie ein Raster angelegt hätten, um die Verteilung der Münzen besser nachvollziehen zu können. Sie hätten den Fundort jeder Münze möglichst exakt ins Raster eingetragen und den gemachten Fund der Bauernfamilie übergeben. Nachdem die Familie dem Archäologischen Dienst des Kantons Bern (ADB) den Fund gemeldet hatte, hätte der ihnen einen Finderlohn bezahlt. «Das Ereignis als solches publizierte der ADB aber nie, sondern legte die neu entdeckten Münzen zu den Altfunden», sagt Spillmann mit etwas Wehmut in der Stimme. Später hätte der ADB den Fund im Rahmen eines Standardwerks über keltische Münzen in der Schweiz publiziert.
Die Suche ging weiter
Während der darauffolgenden über 20 Jahre suchte Spillmann auf dem Belpberg nach weiteren Münzen und fand mithilfe seines Metalldetektors – für den er eine Bewilligung hatte – auch einige. Weitere Münzen habe er tiefer in der Erde vermutet, für den Metalldetektor nicht aufspürbar. Deshalb habe er ein Projekt geplant und dieses dem ADB vorgestellt. Denn ohne diesen konnte er den restlichen Schatz nicht bergen. Das Projekt bestand darin, auf einer Fläche von 20 mal 20 Metern mit einem Bagger die Erde in dünnen Schichten abzutragen, damit die restlichen Münzen im Boden in den Wirkungsbereich des Detektors gelangen. Gesagt, getan. Mit Hilfe des ADB realisierte Spillmann das Projekt im Frühsommer 2023. «Insgesamt habe ich auf dem Belpberg 117 Münzen gefunden», sagt Spillmann nicht ohne Stolz. Spillmann selbst habe sich sehr über diesen Fund gefreut und freue sich noch heute darüber. Mit dem Fund des Schatzes am Belpberg seien viele Anstrengungen verbunden gewesen. «Es ist schön, dass wir den Schatz gefunden haben und er nun in Sicherheit war», so Spillmann.
Kurz darauf sei ein Zeitungsartikel über den Fund publiziert worden. Darin habe es geheissen, der ADB hätte den Silberschatz am Belpberg wiederentdeckt. Dass sein Freund und Spillmann selbst in der Berichterstattung nicht erwähnt wurden, habe ihn enttäuscht, schliesslich hätte man seit 150 Jahren von den Münzen auf dem Belpberg gewusst und sein Freund und er seien es gewesen, die die erneute Schatzsuche ins Leben gerufen hätten. Abgesehen davon pflegt er bis heute ein gutes Verhältnis zum ADB.
Wie der Schatz auf den Belpberg kam
Spannend findet Spillmann vor allem die Geschichte des Schatzes. Aktuell gehe man davon aus, so Spillmann, dass um etwa 50 vor Christus ein keltischer Söldner aus Kriegszügen in Frankreich in die Gegend des heutigen Münsingen zurückgekommen war. Da er bei anderen Stämmen und den Römern gedient hatte, befanden sich Silbermünzen in seinem Besitz. Bevor er aber zurück in den Krieg zog, versteckte der Söldner seine Münzen in einem Findling, der über der Siedlung im Wald lag, also auf dem heutigen Belpberg. Der Söldner kam offensichtlich nie zurück, um sich sein Erspartes zu holen.
Während der Wald in den darauffolgenden Jahrhunderten gerodet beziehungsweise in eine Weide umfunktioniert wurde, lag der Felsbrocken weiterhin da, mitten auf einem Acker. Da sich ein Bauer an dem grossen Stein störte, sprengte er diesen kurzerhand mit Schiesspulver im Jahr 1856.
Nach der Sprengung fand der Knecht, der hinter dem Pflug hergegangen war, 19 Silbermünzen. Die Bauern brachten die Münzen nach Bern, wo sie als Ensemble im Münzkabinett aufbewahrt wurden. Der Empfänger der Münzen in Bern schrieb alles auf, was die Bauern zu erzählen hatten.
Erst 1970 bearbeitete ein Fachmann den Fund und machte ihn publik. Doch danach kümmerte sich niemand weiter um den restlichen Schatz auf dem Belpberg, bis eben Spillmann ein Teil der Geschichte wurde.
Burgen und Baden
Eine so ausgeprägte Leidenschaft für eine Sache muss wohl irgendwo ihren Ursprung haben. Spillmann kommen da sofort seine Ferien in Italien in den Sinn, als er zwölf Jahre jung war:
Sie verbrachten ihre Ferien am Castello San Materno in Ascona. Ein Jahr später besuchte er denselben Ort mit einem Freund. «Ich hatte ein unbestimmtes Interesse für Altes», so Spillmann. Auf einer Geländeterrasse, die zum Park um die Burg gehörte, gruben sie ein rundes Loch mit einem Schäufelchen und fanden ein römisches Grab mit reichen Beigaben. «Diese Entdeckung hat meine Begeisterung für die Archäologie geprägt», so Spillmann. Archäologen gruben damals ein Grab aus, Spillmann noch 23 weitere. Die schönsten Funde aus diesen Gräbern sind heute im Landesmuseum Zürich ausgestellt. Und obschon er zu Beginn des Urlaubs mit seinem Schulfreund gegraben hatte, verbrachte Spillmann deutlich mehr Zeit auf der Ausgrabungsstätte. «Mein Freund teilte die Euphorie nicht in demselben Ausmass. Er zog es vor, baden und Eis essen zu gehen», lacht Spillmann.
Weltweites Suchen
Im Laufe seines bisherigen Lebens frönte Spillmann seiner Leidenschaft an verschiedenen Orten auf der ganzen Welt, unter anderem auch auf Mallorca und in Kolumbien. Auf Mallorca stiess er vor allem auf Blechreste, die eine Person vor 1000 Jahren produzierte, als sie mit Blech Sachen reparierte. «Ständig nur auf Blechreste zu stossen, wurde dann doch etwas mühsam», gesteht Spillmann, «doch dann habe ich noch Münzen gefunden.»
In Kolumbien half er sogar dabei, eine Stiftung zu gründen, die Pro Calima Foundation. Diese wurde 1979 als Antwort auf die fortschreitende Zerstörung der archäologischen Stätten in der Calima-Region ins Leben gerufen.
Natürlich sei die Suche mit dem Metalldetektor manchmal anstrengend, vor allem wenn der Detektor bei «Cola- oder Wurstringen» ausschlägt. Dennoch dauert Spillmanns Entdeckerfreude bis heute an. Mit seiner Bewilligung sucht er noch heute regelmässig den Längenbühlwald nach verborgenen Schätzen ab.
Münzen erzählen Geschichten
Vor allem Münzen haben es Spillmann angetan. Diese erzählen seiner Ansicht nach immer eine Geschichte. Vor allem Münzen aus längst vergangenen Zeiten faszinieren ihn aufgrund ihrer Bedeutung. «Münzen waren früher die einzige Möglichkeit für einen Kaiser, den Untertanen zu zeigen, wie er aussieht», erklärt Spillmann. Oder auf vielen alten Münzen aus der ganzen Welt könne man den Zangenabdruck erkennen, der nötig war, um die Münze überhaupt gravieren zu können. Weil Münzen ihn in ihren Bann ziehen, lebt Spillmann seine Faszination aus, indem er an einem Buch über Münzen arbeitet.
Berufsleben
Bei so viel Leidenschaft für die Archäologie stellt sich die Frage, warum Spillmann seine Leidenschaft nicht zu seinem Beruf gemacht hat. Er selbst hat dafür zwei Erklärungsansätze. Erstens habe die Archäologie seiner Ansicht nach damals noch als Stiefkind der Behörden gegolten. Zweitens habe ihm sein Vater einen Rat gegeben, den Eltern ihren Kindern häufig geben: «Studiere etwas, das du brauchen kannst.» Für diesen Rat ist Spillmann bis heute dankbar. Nach seinem Abschluss am Gymnasium lernte er noch ein Jahr Latein, um anschliessend Medizin studieren zu können. Obschon ihn die Komplexität des menschlichen Körpers fasziniert, gefällt es ihm vor allem, «Menschen zu helfen». Es sei eine Bereicherung, Menschen helfen zu dürfen, Patienten gäben ihm viel zurück. Für ihn sei sein Beruf «ein richtiges Lebenselixier», sagt Spillmann während des Gesprächs, das hin und wieder von Anrufen von Patienten unterbrochen wird, denen Spillmann ruhig und geduldig zuhört. Einmal mehr zeigt sich: Menschen sind ihm wichtig.
Mit seinen 84 Jahren ist Spillmann also immer noch sehr aktiv unterwegs, ob als praktizierender Hausarzt, Hobbyarchäologe oder Autor eines Buchs über Münzen. Auf die Frage, was er noch möchte, blickt er zufrieden auf und fragt zurück: «Was wollen Sie noch mehr?» Diese Bescheidenheit und Zufriedenheit zeigen sich auch am Ende des Besuchs, als ein Glas zu Boden fällt und zersplittert: «Scherben bringen Glück.»