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Weniger is(s)t mehr

Transformation | Mit der «RRRevolution!» will Sentience ein tierfreundliches Ernährungssystem aufzeigen.

| Sonja Laurèle Bauer | Gesellschaft
Kuh
Wir sollten in Tieren denken, nicht in Nutzen. Foto: Sentience/zvg

«Pferchten wir Hunde auf engstem Raum zusammen und schlachteten sie noch im Welpenalter, wäre der Aufschrei gross», so Sentience. Genau dies passiere in der industriellen Tierproduktion. «Ein Schweizer Masthuhn hat eine A4-Seite Platz zum Leben. Zehn Schweine teilen sich die Fläche eines Parkplatzes.» Bei Hühnern lebten bis zu 27'000 Tiere in Ställen ohne Beschäftigungsmöglichkeiten. Nur 13 Prozent spürten jemals die Sonne. «Auch wenn das Parlament die von uns lancierte Initiative gegen Massentierhaltung ablehnte, ist sich die Politik des Handlungsbedarfs bewusst.» In der Botschaft des Bundesrats zum Gegenentwurf der Initiative hiess es: «Das geltende Recht hält unmissverständlich fest, dass niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten darf. Der Bundesrat ist einverstanden, dass die in der Verfassung verankerten Grundsätze der in diesem Bereich angestrebten Entwicklung nicht mehr genügend Rechnung tragen.» «Unsere Initiative hätte das Leben der über 80 Millionen jährlich in der Schweiz geschlachteten Tiere massiv verbessert.» Doch statt das Potenzial einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu erkennen, hätten Politik und Industrie selbst den verwässerten Kompromiss des Bundesrats bekämpft. «Damit nehmen Volksvertreter in Kauf, dass die Tierwürde in der Landwirtschaft weiter mit Füssen getreten wird. Sentience fordert die Einführung des 3R-Prinzips (Refine, Reduce, Replace): Massnahmen zur Verminderung des physischen und psychischen Tierleids.

Wir wissen es

Kommentar von Sonja L. Bauer

 

Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen werden jedes Jahr mehr als 70 Milliarden Tiere für die menschliche Ernährung geschlachtet. Eine Milliarde ist tausend Mal eine Million. In dieser Zahl sind die Fische und andere Wassertiere, die wir verzehren, nicht enthalten. Jene Zahl wird auf mindestens eine weitere Billion geschätzt. 

Die meisten Menschen bezeichnen sich als tierliebend und geben viel Geld für ihre Haustiere aus. Und trotzdem wird diese absolut schwindelerregende Menge an Lebewesen verzehrt. Herr und Frau Schweizer essen im Durchschnitt fast ein Kilo Fleisch pro Woche (50,8 Kilogramm im Jahr; Quelle: Proviande).

Es ist immer wieder erschütternd, wie auch sehr kluge Menschen beim Thema Fleischkonsum von einem auf den anderen Augenblick intellektuell verkümmern und sich in ein Reduit irrationaler Argumente zurückziehen. Bei genauem Hin-sehen ist dieser Reflex aber keine Überraschung, denn trotz der antrainierten Abstumpfung lassen Bilder vom Elend in der Massentierhaltung und der enormen physischen Gewalt in Schlachthöfen die meisten Erwachsenen nicht kalt. Die Konfrontation mit dieser brutalen Realität ist anstrengend und unangenehm. Wir Menschen wollen diesem emotionalen Dilemma möglichst schnell entfliehen, zurück in die psychische Betäubung. Mit Labels, selektiver Information und euphemistischen Ausdrücken wie «Tierwohl» oder «humane Schlachtung» unterstützt die Fleischindustrie diesen Verdrängungsmechanismus. Und auch die Grossverteiler spielen in dieser «karnivoren Kakophonie» mit und schalten hemmungslos perfide Werbespots mit hüpfenden Schweinchen und «glücklichen» Hühnern auf idyllischen Bauern-höfen, die so wenig mit der Realität zu tun haben wie ein Einhorn mit einem Fussballplatz.

Menschen, die sich pflanzlich ernähren, geht es nicht ums Verurteilen oder An-klagen. Sondern um das unendliche Leid sogenannter Nutztiere. Sie können die Bilder von Massentierhaltung, Qualen und Schlachtung nicht mehr aus dem Kopf löschen. Handlungen und Verhaltensweisen sind Ausdruck einer Geisteshaltung. Jene, die auf tierische Produkte verzichten, drücken damit ihre Überzeugung und Wertvorstellung aus, dass Tiere für sie einen moralischen Wert haben und keine Ware sind. Dass ihre Würde respektiert wird und sie Namen haben könnten wie unsere geliebten Haustiere auch, wenn wir denn in eine Beziehung zu ihnen träten. 

Jene Menschen haben die Gewohnheiten, mit denen sie sozialisiert wurden, hinterfragt. Sie wollen keine Privilegien für Tiere und schon gar nicht für sich. Sie wollen die banalste moralische Selbstverständlichkeit: dass leidensfähige Mitgeschöpfe nicht gequält, ausgebeutet und getötet werden.

 


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