Steuern im Tierreich
Tierwelt • Nicht nur bei Menschen, sondern auch bei anderen Tierarten sind Steuern zu finden, zumindest in Form einer Abgabe oder eines Tauschs.
Reziproker Altruismus bezeichnet ein Verhalten, bei dem ein Individuum einem anderen von Nutzen ist. Dabei erwartet das Individuum jedoch, dass sich das andere Tier zu einem späteren Zeitpunkt revanchiert. Naheliegenderweise tritt dieses Verhalten vor allem bei Individuen auf, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmässig treffen. Reziproker Altruismus zeigt sich bei Menschen, aber auch bei vielen anderen Tierarten. Bei Menschen zeigt sich reziproker Altruismus beispielsweise dann, wenn eine Person einer anderen in der Hoffnung und Erwartung beim Umzug hilft, dass die andere Person ihr dann auch beim Umzug helfen wird.
Der reziproke Altruismus zieht noch einen weiteren Vorteil nach sich: Er stärkt die soziale Bindung.
Obschon er zwar nicht wie das Steuernzahlen mit Geld verbunden ist, ist der Kerngedanke doch derselbe: Jemand trägt Kosten, von denen andere in einem ersten Moment möglicherweise mehr profitieren. Wenn eine Person Steuern bezahlt, fliesst dieses Geld zuerst einmal an den Bund, den Kanton und die Gemeinde. Ohne Steuergelder funktionierten diese nämlich nicht. Dank der Steuergelder können sie dann wiederum Dinge tun, die der steuerzahlenden Person zugutekommen. Und beim Zahlen von Steuern liegt zumindest in Staaten wie der Schweiz die Idee der Solidarität zugrunde. Ähnlich wie bei anderen Tierarten festigt das Steuernzahlen deshalb die Gemeinschaft.
Nicht menschliche Primaten
Ein typisches Beispiel reziproken Altruismus’ zeigen viele Primaten bei der Fellpflege. Primatenarten wie Makaken, Paviane oder Schimpansen säubern ihr Fell gegenseitig. Teilweise erhalten sie auch eine Sachleistung wie beispielsweise etwas zu essen vom Artgenossen, dem sie das Fell gesäubert haben. Einige Affenarten wechseln sich bei der Fellpflege sogar ab, damit die Phasen, in denen jemand das Fell gepflegt bekommt, möglichst ausbalanciert sind.
Der Anspruch auf gegenseitige Unterstützung zeigte sich auch bei einem Experiment mit grünen Meerkatzen. Dafür wurden im Voraus Hilferufe von einer am Experiment beteiligten Meerkatze aufgenommen, Meerkatze 1. Das effektive Experiment bestand dann darin, dass Meerkatze 1 in einer ersten Situation das Fell einer anderen Meerkatze, Meerkatze 2, pflegte. Anschliessend verschwand Meerkatze 1 und Meerkatze 2 wurde der aufgenommene Hilferuf von Meerkatze 1 abgespielt. Meerkatze 2 reagierte ziemlich schnell und wollte helfen. In einem zweiten Durchgang pflegte Meerkatze 1 das Fell von Meerkatze 2 nicht. Nachdem auch hier Meerkatze 1 verschwunden war, folgte wieder das Abspielen des Hilferufs. Auch hier reagierte Meerkatze 2, aber deutlich langsamer. Anders gesagt, die Meerkatzen halfen einander, wenn sie selbst davon auf irgendeine Weise profitierten.
Vampirfledermäuse
Vampirfledermäuse ernähren sich vollständig von Blut. Sie fliegen zu schlafenden Rindern und saugen ihnen ungefähr zwanzig bis dreissig Milliliter Blut ab. Und das, ohne dabei bemerkt zu werden. Wie ein Biologe vor einigen Jahren zeigen konnte, finden jüngere Fledermäuse mit nur wenig Erfahrung kein Opfer, das sie anzapfen können. Deshalb sind sie auf ihre Artgenossen angewiesen. Und tatsächlich würgen erfolgreiche Vampirfledermäuse einen Teil ihres gesammelten Bluts aus ihrem vollen Magen und übergeben es ihren Artgenossen. Dabei spielen die familiären Verhältnisse kaum eine Rolle. Die spendenden Fledermäuse erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, selbst unterstützt zu werden, wenn sie oder ihre Jungen Hilfe beziehungsweise Blut brauchen. Auch dieses Beispiel zeigt, dass auch andere Tiere als der Mensch Abgaben leisten, um der Gruppe und damit auch sich zu helfen.
Kapuzineraffen
Im Tierreich gibt es noch viele weitere Beispiele für den reziproken Altruismus. Das Konzept Geld scheint es bisher jedoch nur bei Menschen zu geben. Dabei sind Menschen nicht die einzigen Lebewesen, die mit Geld umgehen können. Sobald Kapuzineraffen den symbolischen Handelswert von Gegenständen kennen, können sie mit diesen Gegenständen Handel treiben.
In einem Experiment lernten Kapuzineraffen per Konditionierung, dass unterschiedliche kleine Gegenstände als unterschiedlich kostbar gelten. Ein Metallstopfen oder ein blauer Plastikchip waren besonders wertvoll, ein Metallhaken oder ein schwarzes Röhrchen hingegen weniger. Wie beim Menschen und dem Geld basierte der Wert dieser Gegenstände nicht auf dem materiellen Wert, sondern dem symbolischen. Und dieser symbolische Wert ist wie beim Geld auch durch erlernte Übereinkunft entstanden.
Beim eigentlichen Experiment erhielten die Kapuzineraffen eher unbeliebtes Affenfutter. Sofern sie dieses nicht auffutterten, konnten sie es gegen einen Gegenstand eintauschen, der vermeintlich wertvoller war. Mit diesem wertvollen Gegenstand, beispielsweise dem blauen Plastikchip, konnten sie in der nächsten Tauschrunde eine Erdnuss eintauschen, ein begehrter Schmaus für Kapuzineraffen.
In anderen Experimenten sparten Schimpansen ihr Spielgeld sogar an.
Diese Experimente zeigen somit, dass nicht nur Menschen Gegenstände mit teilweise symbolischem Wert tauschen können, um davon profitieren zu können.