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«Der Sinn des Lebens ist es, dem Leben Sinn zu geben»

Makrokosmos | Ben Moore ist Astrophysiker. Er setzt sich mit den Sternen, mit schwarzen Löchern, mit dem Universum auseinander. Ihn fasziniert auch der Mikrokosmos – weil es diesen ohne Sternenstaub nicht gäbe. Wie auch uns nicht. Und er ist überzeugt, dass uns Ameisen und Kraken überdauern werden. 

Sternenhimmel
Die Sterne sind das Lebenselixier von Astrophysiker Ben Moore. Bild: James Webb-Teleskop/zvg

In Ihrem aktuellen Buch «Sternenstaub» sagen Sie, dass wir indirekt alle aus Sternenstaub bestehen, also aus den Elementen, die in sterbenden Sternen entstehen. Wann könnte unsere Sonne sterben, und was bedeutet das für das Leben auf der Erde?

Ben Moore: Unsere Sonne wird noch weitere sieben Milliarden Jahre scheinen. Aber unser Planet wird nur noch etwa eine Milliarde Jahre lebens-fähig sein. Wenn unsere Sonne älter wird, strahlt sie mehr Energie ab, und die Temperaturen auf unserer Welt werden langsam ansteigen. Irgendwann werden unsere Atmosphäre und unsere Ozeane buchstäblich verdampfen, und kein Leben wird mehr auf der Erdoberfläche überleben können.

In einigen Ihrer Kolumnen in «Das Magazin» schrieben Sie, dass es möglich wäre, dass der Mensch dereinst aussterben werde. Warum?

Es gibt keinen Grund, warum wir Menschen nicht noch Hunderte Millionen Jahre in der Zukunft leben könnten. Von unseren Fähigkeiten her hätten wir die Möglichkeit, lange bevor die Sonne stirbt, in andere Welten unserer Galaxis auszuwandern. Aber ich bin mir nicht so sicher, ob unsere Nachkommen in etwa tausend Jahren noch leben werden, wenn man bedenkt, wie schnell wir unsere Umwelt zerstören und unseren Planeten erwärmen.

Und Sie sagen, falls die Menschheit dereinst ausstürbe, dass es die Insekten wären, allen voran die Ameisen, die uns über-leben würden. Warum gerade die Ameisen? 

Ameisen gibt es schon seit etwa hundert Millionen Jahren. Sie haben die meisten Teile des Landes auf der Erde besiedelt – auf jeden Menschen kommen schätzungsweise zwei Millionen Ameisen! Ich frage mich oft, warum sich diese Arten in dieser Zeit nicht weiterentwickelt haben. Aber vielleicht besteht keine Notwendigkeit, weil sie sich schon für das Überleben optimiert haben. Wie auch die Kraken. 

Erzählen Sie uns etwas zum Kraken? 

Kraken können ihre Arme unabhängig voneinander über ein neuronales Netzwerk steuern, durch Farbwechsel miteinander kommunizieren, Dinge zur Tarnung sammeln, sich einen Unterschlupf bauen, Rätsel lösen und aus Irrgärten herausfinden. Man könnte Sie für Aus-serirdische halten, wäre ihre DNA nicht eindeutig irdisch. 

 

Glauben Sie, dass Kraken oder Ameisen den Menschen überleben werden?

Kraken haben drei Herzen, neun Gehirne und leben seit über 300 Millionen Jahren glücklich in den Ozeanen. Und sie haben mehrere Massensterben überlebt und das Kommen und Gehen der Dinosaurier miterlebt …

 

Bis der Mensch kam … 

Trotzdem bin ich überzeugt, dass Kraken und Ameisen in einer Milliarde Jahren zu den letzten Lebewesen auf unserem Planeten gehören werden.

 

Können Sie sagen, warum Sie begannen, sich als Astrophysiker mit Ameisen auseinanderzusetzen?

Ich finde das Studium des Lebens genauso faszinierend wie das Studium des Universums. Ich habe letzteren Weg gewählt. Hätte ich aber zwei Leben oder Zeit für zwei Karrieren, würde ich auf dem anderen Weg die Funktionsweise des Lebens studieren. Unser Gehirn ist mit Abstand das komplexeste «Ding» in unserem Universum. Es enthält
100 Milliarden Neuronen, die durch 100 Billionen Drähte verbunden sind. Und wir haben nur ein vages Verständnis davon, wie unser Geist funktioniert. 

Und das Gehirn der Ameisen …?

Ameisengehirne haben weniger als eine Million Neuronen, aber sie können so viel leisten, wie zum Beispiel den Bau unglaublicher unterirdischer Städte. 

Schauen die Ameisen auch zu den Sternen auf und fragen sich, woher sie kommen? 

Ich bezweifle es, aber wir wissen es nicht.

In einem Interview sagten Sie, unser Gehirn reiche nicht aus, um über das Universum, respektive Multiversum, hinauszudenken … 

Wir können niemals verstehen, was da wirklich geschieht. Aus physikalischen Gründen ist es gar nicht möglich, dass Information schneller als Licht reise. Deshalb können wir nicht über die Grenzen des Universums hinaussehen. 

Wir sind alle Sternenstaub. Aber auch unsere Schätze sind es. Wie kam das Gold auf die Erde?

Die Erde ist eine riesige Kugel aus geschmolzenem Gestein mit einer dünnen Kruste aus festem Gestein, auf der man stehen kann. Um zu verstehen, wie dünn die Kruste ist, können wir die Erde mit einem Apfel vergleichen – nur die Schale ist fest, und alles im Inneren ist weich, respektive bei der Erde geschmolzen. Als sich unsere Erde gebildet hatte, war sie vollständig geschmolzen. Zu dieser Zeit sanken die meisten schweren Elemente, wie zum Beispiel Gold, bis in die Mitte unseres Planeten hinab. Das Gold, das wir heute sammeln, stammt aus dem Weltraum und wurde von Asteroiden und Kometen an die Erdoberfläche befördert, nachdem sich ihre feste Kruste gebildet hatte.

Sie sagen, dass im Universum andere Zeiten herrschten. Sie erklären die schwarzen Löcher. Sie berechnen in Ihrem Buch «Sternenstaub» die sich verlangsamende Zeit anhand von Ameisen, die auf einem Seil eine Wegstrecke zurücklegen. Ihr Kollege Carlo Rovelli schrieb das Buch «Weisse Löcher», in denen das Gegenteil geschieht. Was sagen Sie dazu?

Manchmal schlagen Physiker auch Ideen vor, für die es keine Beweise oder keine Möglichkeit zur Überprüfung gibt. Mein verstorbener Kollege Stephen Hawking sagte: «Wenn es Objekte gibt, die schwarze Löcher genannt werden, in die Dinge hineinfallen, aber nicht herauskommen können, dann sollte es andere Objekte geben, aus denen Dinge herauskommen, aber nicht hineinfallen. Man könnte diese weisse Löcher nennen.»

Was denken Sie darüber?

Wir beobachten schwarze Löcher und kennen verschiedene Mechanismen, durch die sie entstehen können. Aber wir beobachten keine weissen Löcher, und wir wissen nicht, wie sich ein solches bilden könnte. Aus diesem Grund glauben nur sehr wenige Wissenschaftler, dass weisse Löcher existieren könnten – es handelt sich lediglich um mathematische Übungen. 

Zurück zu den Ameisen: Könnte es sein, dass Ameisen ein Bewusstsein entwickeln – oder bereits haben? Ich habe zu Hause seit Wochen eine Ameise, die zu kommen scheint, wenn ich mich auf dem Balkon an den Tisch setze. Vielleicht weil sie weiss, dass ein paar Krumen für sie abfallen. 

Das ist eine hübsche Geschichte. Aber es tut mir leid, dass ich Ihnen eine unromantische Antwort geben muss: Eine Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass eine Ameise, die allein ist, nur wenige Tage überleben kann. Weil sie weder Nahrung noch Wasser noch Unterschlupf findet. Vielleicht war Ihre Ameise eine besondere Ameise. Oder vielleicht haben Sie jeden Tag eine andere Ameise gesehen, die einer Pheromonspur folgte, die ihre Freunde hinterlassen hatten, um sie zu Ihren Krümeln zu führen.

Sie sind Wissenschaftler. Sie bleiben pragmatisch. Darf ich fragen, worin für Sie der Sinn des Lebens besteht?

«Der Sinn des Lebens besteht darin, dem Leben einen Sinn zu geben.»


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