«Tradition und Moderne beissen sich nicht»
Schifffahrt | Jan Cermak ist Geschäftsführer der BLS Schifffahrt und vertritt damit ein «emotionales Produkt». Er spricht unter anderem über den Paradigmenwechsel in Richtung Privatwirtschaft und Nachhaltigkeit trotz Bewahrung von Traditionen.
Herr Cermak, Sie sind seit letztem November Geschäftsführer der BLS Schifffahrt. Wie sind Sie gestartet?
Ich bin gut gestartet und habe mich sehr schnell in die Schiffswelt eingelebt. Mein Vorgänger hat das Unternehmen bereits einige Monate vor meinem Stellenantritt verlassen, und so musste ich vom ersten Tag an funktionieren. Das Schöne ist, dass ich eine sehr motivierte Crew habe, die mit viel Herzblut ihre Arbeit verrichtet. Das vereinfacht die ganze Situation. Das Rekordergebnis des letzten Geschäftsjahres bildet zudem eine solide Basis, um in Zukunft darauf aufzubauen.
Warum lief es letztes Jahr so gut?
Der internationale Tourismus ist nach der Coronazeit wieder aufgeblüht. Man spürte viel Nachholbedarf. Während der Coronazeit haben zudem viele Schweizerinnen und Schweizer unsere Region kennengelernt und kamen wieder zurück. Auch das Wetter hat letztes Jahr mitgespielt. Wir hatten zudem nur wenige Ausfälle wegen technischen Problemen.
Dann nahm der Binnentourismus also zu?
Ja, das Einzugsgebiet der Schweizer Gäste wurde grösser nach Corona. Hinzu kommt, dass viele Schweizer Gäste unserer Region auch nach Corona treu geblieben sind und immer wieder ins Berner Oberland reisen.
Wer ist denn grundsätzlich Ihre Kundschaft?
Das ist von See zu See unterschiedlich. Auf dem Thunersee sind es zu 70 Prozent Schweizer Ausflugsgäste, und nur 30 Prozent stammen aus dem Ausland. Auf dem Brienzersee ist es genau umgekehrt. Der Grund dafür ist Interlaken als internationaler Tourismushotspot. Der Brienzersee ist wegen der Verbreitung in den sozialen Medien international bekannter. Iseltwald beispielsweise ist aufgrund der koreanischen Netflix--Serie bei den Menschen aus Asien sehr beliebt.
Welchen Bezug haben Sie persönlich zur Schifffahrt?
Das ist eine gute Frage. Ich bin weder ausgebildeter Schiffsführer, noch kann ich segeln. Ich hatte zwölf wunderbare Jahre in der Geschäftsleitung von Kambly. Kambly ist eine sehr emotionale Marke und ein emotionales Produkt. Für mich war immer klar, dass ich wieder eine emotionale Marke vertreten will, wenn ich einmal wechsle. Und dies ist bei der Schifffahrt der Fall.
Was waren bisher die grössten Herausforderungen in ihrer neuen Funktion?
Als ich begonnen habe, mussten wir einige Schlüsselpositionen, wie die Leitung Nautik und die Leitung Einsatzplanung, neu besetzen. Bei der Ausgliederung der Schifffahrt in eine eigene Tochtergesellschaft der BLS gab man sich im Jahr 2022 eine neue Strategie, die bisher aber nicht umgesetzt werden konnte. Wir sind nun daran, die Strukturen zu schaffen, damit die neue Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann.
Was sind die Ziele dieser Strategie?
Ein Ziel ist, dass wir qualitativ und rentabel wachsen. Wir fahren ja nicht nur zu Schauzwecken Schiff, sondern wir sind ein eigenständiges Tochterunternehmen der BLS, das dem rentablen Betrieb verpflichtet ist. Aus den erwirtschafteten Mitteln müssen wir die laufenden Investitionen decken können. Das war für uns ein Paradigmenwechsel, indem wir vermehrt so funktionieren müssen wie Betriebe der Privatwirtschaft. Ein sehr grosses Thema ist zudem die Nachhaltigkeit.
Was bedeutet eine nachhaltigere Schifffahrt?
Es gibt bereits einige Initiativen, mit denen wir uns für mehr Nachhaltigkeit in der Schifffahrt einsetzen. So ist die BLS Schifffahrt seit 2021 Teil der Tourismusinitiative «Swisstainable». Mit diesem Engagement schliessen wir uns dem Ziel von «Schweiz Tourismus» an, die nachhaltigste Reisedestination der Welt zu werden. Seit letztem Jahr kooperieren wir mit dem Klimapartner «Swiss Climate» und unterstützen ein lokales Projekt zur nachhaltigen Waldwirtschaft in Wattenwil und Blumenstein. Unsere Photovoltaikanlage auf der Werfthalle Thun produziert 180 000 kWh Solarstrom pro Jahr. 55 Prozent davon wird für die Werft genutzt. Zukünftig müssen wir es schaffen, den Treibstoffverbrauch markant zu reduzieren, wozu wir auch alternative Antriebssysteme prüfen und zukünftig flächendeckend einsetzen wollen. Wir haben bereits zwei Schiffe, die mit Hybridmotoren betrieben werden. Das sind die «MS Jungfrau» auf dem Brienzersee und die «MS Bubenberg» auf dem Thunersee. Die effektivste Methode, um weniger Diesel zu verbrauchen, sind die Reduktion der Geschwindigkeit und der Haltepunkte. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kunden wie auch der Partner rund um die Seen zu berücksichtigen und gemeinsam Wege zu finden, zur CO2-Reduktion beizutragen.
Welche Investitionen stehen an?
Es gibt laufende Investitionen wie die Instandhaltung der Schiffe. Eine neue Motorisierung kostet rund drei Millionen Franken. Des Weiteren bauen wir ein neues Schiff für den Thunersee. Das können wir aber nicht selbst stemmen, sondern wir erhalten dazu einen namhaften Beitrag vom Kanton. Ein mittelfristiges Projekt ist die Erneuerung der Werft in Interlaken. Und anschliessend fassen wir den Bau eines neuen Schiffs auf dem Brienzersee ins Auge. Dies alles ist auch Ausdruck unserer Vorwärtsstrategie. Einerseits möchten wir natürlich die heutigen und historischen Schiffe erhalten, andererseits müssen wir aber auch in die Zukunft schauen und dafür sorgen, dass wir die Kundenbedürfnisse abdecken können, um so den langfristigen Bestand der Schifffahrt zu sichern.
Die «Blüemlisalp» ist aufgrund eines technischen Problems später gestartet. Was bedeutete dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht?
Der Niederdruckkolben hatte aufgrund seines Alters Risse. Es war ein 640 Kilogramm schweres Originalteil aus dem Jahr 1906. Eine Frage war, ob dieses Teil überhaupt noch jemand giessen kann. Es gab keine Zeichnung dazu, und wir mussten das Teil zuerst mal ausmessen. Gleichzeitig haben wir bei der «Blüemlisalp» im letzten Winter die ganze Kesselsteuerung erneuert. Der Plan war, dass wir vor dem Einsatz im Mai die neue Kesselsteuerung testen können, doch zuerst musste der Kolben hergestellt und eingebaut werden. Es lief jedoch alles sehr gut, und wir hatten dadurch nur einen Monat Verzögerung. Ich kann keine Zahlen nennen, aber die «Blüemlisalp» ist ein Flaggschiff auf dem Thunersee. Viele Gäste kommen wegen der «Blüemlisalp». Die einzelnen Schiffe haben einen grossen Einfluss darauf, welche Leute kommen und wie viele.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Modernisierung und Erhalt der Tradition?
Indem wir den Blick in beide Richtungen wenden. Wir pflegen die Historie, solange dies wirtschaftlich möglich ist und rentabel betrieben werden kann. Andererseits haben wir ein sehr innovatives Marketingteam, das die aktuellen Trends kennt und entsprechende Produkte entwickelt. Tradition und Moderne beissen sich gegenseitig nicht, wenn beide Richtungen die nötige Akzeptanz erhalten.