Saure Beeren und zu viele offene Fragen
Belp • Ruth Sutter gründete «Pro Landschaft Belp», weil sie nicht zuschauen will, wie eine elementar wichtige Trockenwiese durch Solaranlagen verbaut wird. Sie fragt, wie man dazu kommt, auf einem Flughafengelände eine solche Anlage zu bauen. Und worum es dabei wirklich gehe?

Winterstrom – Landschaftsverlust: Das Belpmoos verfügt nicht nur über einen Flughafen, sondern ist vor allem ein Naherholungsgebiet in einer noch intakten Natur mit wunderschönem Blick auf die Berge. Der sogenannte Solarexpress wurde innert Rekordzeit vom Parlament verabschiedet, um die Stromversorgung im Winter zu garantieren. Die geplante Solaranlage (Kosten 30 Millionen Franken) im Belpmoos liefert wenig Winterstrom. Im Sommer müssen die Elektrizitätswerke schon heute Überkapazitäten regeln. Ergo: Könnten die Gründe für den Bau der geplanten PV-Anlage andere sein, als das Klima zu schützen? In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine ähnlich grosse Fläche wie jene im Belpmoos mit Solarpanels verbaut.
Wird die Bevölkerung getäuscht?
Ruth Sutter wundert sich: «Warum baut die BKW im Mittelland inmitten eines Nebelbandes, also dort, wo es zu wenig Sonnenschein gibt, ihre Solaranlage? Und dies, obwohl wir Winterstrom bräuchten?» Sie wundere sich auch, dass die BelpmoosSolar AG somit auf Subventionen verzichte, fällt doch die Anlage nicht unter den Solarexpress –
mangels Winterstrom. Und: «Die BKW gehört mehrheitlich dem Kanton, öffentliche Gelder verpuffen.» Was besonders befremde: «Das Belpmoos ist die zweitgrösste Trockenwiese des Mittellandes! Eine der letzten und schönsten Landschaften im Mittelland und ein wichtiges Naherholungsgebiet wird zur schwarzen Panelwüste. Wer diese Solaranlage befürwortet, arbeitet gegen die Natur und somit gegen unsere zukünftigen Generationen.»
Panels über der Autobahn?
Zur Erinnerung: Biologen und Ornithologen setzen sich für diesen Lebensraum ein, der in seiner Ausdehnung und in der Vernetzung von geschützten Naturflächen weitherum einzigartig ist. Sie betonen, dass Fotovoltaik auf bestehenden Bauten mehr Sinn mache. Die Redaktion des Berner Landboten fragt: Warum nicht über der Autobahn?!
Ruth Sutter setzt sich seit Langem intensiv mit der Thematik auseinander. Aktionäre von BelpmoosSolar würden die BKW, EWB, Flughafen Bern AG und vielleicht auch die Energie Belp AG sein, vermutet sie.
Belper profitieren nicht vom Solarstrom
Mangels Information ergäben sich zahlreiche Fragen, so Sutter. «Wem soll die PV-Anlage vor allem dienen? Wer bezahlt was womit? Welche Firmen verbauen die 30 Millionen? Entspricht die Anlage den Anforderungen der öffentlichen Interessen, wenn sie den Privatjetbetrieb querfinanziert?» Belper profitierten nicht vom BKW-Strom und hätten also das Nachsehen.
Es gehe nicht «nur» um die Trockenwiese: «Die Auenlandschaft Thun-Bern ist ein Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung. Im Zusammenhang mit den Giessen, der Gürbe und der Heckenlandschaft Belpberg ist es ein unersetzliches Vernetzungsgebiet für Fauna und Flora.» Ruth Sutter weiter: «Hat sich der Gemeinderat nie damit befasst, anstelle der PV-Anlage genau das Gegenteil zu machen: einen Naturschutzraum von schweizweiter Bedeutung? Nehmen Bund, Kanton, Stadt und die Gemeinde den Verlust des bedeutenden Vernetzungsgebiets willentlich in Kauf? Des Zuhauses von über 200 beobachteten Vogelarten?» In Richtung Muri seien zudem Dutzende von Falterarten beobachtet worden. «Diese Vernetzung ist hochkomplex und wird durch die Panels empfindlichst gestört.» Wir sprächen auch von Ernährungssicherheit. «Von Biodiversitäts-Förderung kann nicht die Rede sein.»
Informationsvakuum
Es bestehe ein Informationsvakuum in der Bevölkerung. «Die Planung der Anlage läuft seit ungefähr 2,5 Jahren. Weder BelpmoosSolar noch die Gemeinde haben bisher an die Adresse der Belper eine Information publiziert.» Demgegenüber hätten im Flughafen diverse «Round Tables» für geladene Gäste stattgefunden. «Notabene unter Ausschluss der Bevölkerung. Es ist somit ein ausgewähltes Publikum einseitig informiert.» Zwar seien auch Natur- und Landschaftsschutzverbände eingeladen worden. Aber somit seien auch diese Entscheidungsträger und womöglich jene der Gemeinde einseitig informiert. In der Vergangenheit wurde bei grösseren kommunalen Projekten wie der Ortsplanungsrevision, der neuen Verwaltungsorganisation oder dem Mühlematt-Schulhaus von Zeit zu Zeit informiert.
Mitwirkung und Abstimmung
Gemäss Gemeinde wird «im Frühjahr 2025» eine Mitwirkung zur PV-Anlage stattfinden. Betreffend Mühlematt wird «im Frühjahr» ebenfalls eine Mitwirkung stattfinden. Falls die beiden Verfahren parallel liefen, so Sutter, sei absehbar, dass der Bevölkerung das Mühlematt näherstehe, «vor allem mangels bisheriger Informationen über die PV-Anlage.» Voraussichtlich könnten die Belperinnen und Belper zu einem späteren Zeitpunkt über die Nutzungsplanänderung abstimmen. Im Grunde gehe es um eine simple Zonenplanänderung, was die Sache für die Bürger und Bürgerinnen nicht einfacher mache. «Wird das Mitwirkungsverfahren auf Gemeindeebene vor der Genehmigung des kantonalen Richtplans gestartet, fliessen diese wichtigen Ergebnisse nicht mit ein.» Nun brauche es Planung mit Bedacht, wollten es der neu besetzte Gemeinderat und die Planungs- und Umweltkommission mit der Bevölkerung nicht erneut verscherzen, wie dies in den vergangenen Jahren mehrmals der Fall gewesen sei, so Sutter.
Und die Klimastrategie?
Das Klimagesetz sehe eine Einsparung von CO2 vor, «nicht die Förderung des Ausstosses durch die Privatfliegerei». Der Flughafen aber benötige Geld für den projektierten Bau des Gebäudes für technischen Unterhalt und einen Parkplatz – für Privatjets. Die Segelfluggruppe mit über 100-jähriger Tradition müsse weichen. Sutter fragt: «Für Superreiche, die mit ihren CO2-intensiven Jets häufig fliegen, um ihren Hobbys zu frönen? Ist diese Geldmittelbeschaffung Aufgabe der öffentlichen Hand, wo die BKW nun einmal einzuordnen ist? Und was geschieht, wenn die Zone geändert, das Projekt aber nicht gebaut wird oder die Panels einst zurückgebaut werden? Werden dann anstelle der heutigen Trockenmatte Gewerbe und Industrie auf dem Flughafengelände gebaut?»
Inventar schützenswerter Landschaften
Der Kanton meldete die Trockenwiese nach deren Inventur 2019 ins nationale Register schützenswerter Landschaften beim BAFU an und «sistierte» diese Anmeldung mit Lancierung des PV-Projekts kurzerhand. Sutter: «Wie kann durch alle Böden von Bund, Kanton, Stadt und Gemeinde diese Solaranlage unterstützt werden, wenn sie offensichtlich nachgewiesenen Biodiversitätszielen zuwiderläuft?» Die Flughafen Bern AG habe genau um die Publikation des Projekts herum ihre Werbung für den «für die Natur wertvollen Flughafen» von der Website genommen. «Sie vollzog eine Kehrtwende um 180 Grad. Der Grund kann nicht sehr mannigfaltig sein.» Das Projekt werde als biodivers gepriesen, aber eine Trockenmatte gehe unter der Beschattung weitestgehend kaputt; Schafe würden diese überdüngen. «Es bleibt Gras. Davon haben wir genug, auch Kenner bestätigen, dass dereinst kaum Schafe weiden würden. Oder Beeren? Im Schatten?»
Eine Trockenwiese benötigt zur Entstehung Jahrzehnte. Seit 1900 wurden 95 Prozent der Schweizer Trockenwiesen zerstört. «Jene im Belpmoos erfüllte bei der Kartierung 2019 sämtliche Bedingungen zur Aufnahme ins nationale Inventar schützenswerter Landschaften. Ersatzmassnahmen können nicht innerhalb weniger Monate herangezüchtet werden. Die Natur lässt sich nicht überlisten.»
Stromexport und Regulierung
Die Gemeinde Belp wird mit Ausnahme des Belpbergs durch die Energie Belp AG versorgt. «Die BKW stärkt ihr Monopol. Die BKW bezahlt für eingespeisten Solarstrom einen schweizweit unterdurchschnittlichen Preis. Der Solarstrom würde aus Belp exportiert. Belp verfügt über geeignete Flächen des 2,75-fachen Potenzials der PV-Anlage im Belpmoos.»
Zum Klimaschutzartikel weiss sie: «Die Gemeinden sind gehalten, die Klimaneutralität voranzutreiben» (siehe Art. 31a der Kantonsverfassung). Die Massnahmen sollten umwelt- und sozialverträglich sein. Genau dies aber sei diese PV-Anlage nicht, sagt Ruth Sutter, weil die Belperinnen und Belper die Panels «schlucken» sollten, aber vom Strom direkt nichts hätten. «Und weil ein nicht zu ersetzendes Naturjuwel kaputt geht. Wir haben massenhaft alternative Fläche für Solaranlagen.» Sutters Fazit: «BelpmoosSolar wählt gemeinsam mit Bund und Kanton einen zu hinterfragenden Weg. Solarstrom sollte anders gefördert werden. Natur und Landschaft werden gegen Strom ausgespielt. Es läuft krumm und menschenfeindlich, die Natur zeigt uns dies seit Langem auf. Wir benötigen Nachhaltigkeit. Im Wortsinn.»
Kontakt: www.prolandschaftbelp.ch
Winterstrom im Belpmoos?
Per 1. April 2023 wurde der «Solarexpress» beschlossen. Erinnern wir uns: Es geht um «dringliche Massnahmen zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter, Solaroffensive». In einem Artikel in der «Berner Zeitung» vom 29.03.2018 wurde das Wetter im Belpmoos thematisiert: Skywork, die wenige Monate nach dieser Publikation ihr Grounding mitteilen musste, beklagte die ungünstige Wetterlage beim Flughafen Belp.
Spätestens nach der Pleite der Flybair im Sommer 2024 fliegen meist nur noch Privatjets ab Bern, meist wenige. Trotzdem sind der Neubau eines Gebäudes für technischen Unterhalt und Parkplätze für Privatjets geplant. Die geplante Solaranlage soll auf dem Flughafengelände zu stehen kommen, auf der grössten Trockenwiese im Mittelland (siehe Grafik) und einem bedeutenden Naherholungsgebiet. Sie fällt wetterbedingt nicht unter den Solarexpress, womit keine Subventionen der öffentlichen Hand gesprochen werden. Man bedenke, dass die öffentliche Hand, und somit der Steuerzahler, bereits sehr viel Geld für den Flughafen bereitstellte, insbesondere für Infrastrukturen. Was treibt den Flughafen an, was treibt den Kanton an? Er ist Mehrheitsaktionär bei der BKW, womit mit der Solaranlage indirekt erneut öffentliche Gelder in die Flughafenanlage gesteckt werden. Wird die Gemeinde Belp dieses Unterfangen befürworten? Opfert sie das Naturjuwel, eingebettet in das wertvolle Vernetzungsgebiet der Auenlandschaft Thun-Bern, Giessen, Gürbe und Belpberg?