Wirbel um Windturbine
Erneuerbare Energien | Stürmische Zeiten auf dem Belpberg: Gegen ein Baugesuch für eine Windturbine auf dem Dach gingen diverse Einsprachen ein. Befürchtet werden insbesondere Lärmemissionen. Der Kanton steht jedoch hinter dem Vorhaben.
Markus und Alexandra Mariani wohnen auf dem Belpberg. In einer Einfamilienhaussiedlung an exponierter Lage. Hier «zieht» es gerne mal. Deshalb wollen die beiden eine Windturbine auf dem Dach installieren. Eine Photovoltaikanlage haben sie schon. Deshalb existiert auch bereits ein Speicher mit 25 Kilowattstunden. In der Einfahrt stehen zwei Elektrofahrzeuge. Marianis Ziel ist es, in Sachen Energie möglichst autonom zu leben. Da schien die Windturbine als Ergänzung zur Photovoltaikanlage ideal. «Der Speicher reicht für etwa eine Woche», sagt Markus Mariani. Zeiten mit wenig Sonneneinstrahlung – oder wenig Wind – können so überbrückt werden. Gegen das Baugesuch hagelte es regelrecht Einsprachen von den anderen Bewohnenden des Quartiers. Der Inhalt der verschiedenen Einsprachen ist nahezu identisch, sie gelten per Gesetz als «Kollektiveinsprachen» oder «vervielfältigte oder weitgehend identische Einsprachen». Ganz offensichtlich hat man sich untereinander abgesprochen, alle benutzten dieselbe Vorlage. Die ablehnende Haltung kam auch am Demonstrationsanlass der Turbine zum Ausdruck, an dem auch Nachbarn anwesend waren. Und die waren von dem Vorhaben alles andere als angetan. Obwohl sich die Marianis ganz offensichtlich bemühen, aufzuklären und zu informieren. Zu diesem Zweck ist der CEO und Gründer der Herstellerfirma «NewGreenTec International», Frido Stutz, von Zürich auf den Belpberg gefahren. Auf dem Anhänger im Huckepack hatte er ein Modell der eigens entworfenen Windturbine. Geduldig erklärte er den Anwesenden die technischen Details seiner Innovation.
Wind ist lauter
Schnell kam die Sprache auf die streitbaren Punkte. Befürchtet wird vor allem, dass die Windturbine Lärm verursacht, der zu «Aufweckreaktionen» führen könnte. Dies wird auch in den Einsprachen deutlich. Gemäss diesen dürfe bei Strassenverkehrslärm in der Nacht der Immissionsgrenzwert von 50dB(A) nicht überschritten werden. Die Beschwerdeführer argumentieren, dass der Verkehrsgrenzwert bereits bei einer Windgeschwindigkeit von 25,2 km/h überschritten werde, was für den Belpberg keine übertrieben grosse Windgeschwindigkeit sei. Bereits bei einer Windgeschwindigkeit von 36 km/h würde der Alarmwert in der Nacht erreicht. «Wenn die Anlage also den Immissionsgrenzwerten des Verkehrs folgen würde, wäre sie schon rechtswidrig», resümieren die Beschwerdeführer in ihren Schreiben. «Normalerweise sind die Umgebungsgeräusche lauter als die Geräusche, welche die Windturbine verursacht», erklärt Frido Stutz. «Am ehesten hört man es im Gebäude, auf dem die Windturbine steht.» Wenn überhaupt, wären also vor allem die Besitzer von Lärm betroffen. Zudem verhalte sich der Geräuschpegel proportional zur Drehzahl. Das heisst je höher die Drehzahl, desto höher die Lärmemissionen. «Man kann die Anlage so programmieren, dass die Turbine eine gewisse Drehzahl nicht überschreitet und sich automatisch abschaltet», erklärt Frido Stutz. Je stärker der Wind, desto stärker auch die Geräusche vom Wind selbst. Markus Mariani hat dies gemessen. Beim kürzlichen Sturm verursachte der durch Bäume und Sträucher pfeifende Wind Lärmemissionen von 80 bis 90 Dezibel. Vertikalwindturbinen haben gemäss Flugingenieur Frido Stutz zwei wesentliche Vorteile: «Einerseits sind sie sehr leise, andererseits Windrichtungs-unabhängig. Bei den üblichen Horizontalachswindturbinen entstehen die Windgeräusche hauptsächlich an den Flügelspitzen. Die gewölbten Flügel dieser Windräder haben keine Flügelspitzen, und die Bewegungsgeschwindigkeit der Flügel ist wesentlich tiefer.» Frido Stutz hat zudem die möglichen Lärmemissionen auf die umliegenden Gebäude berechnen lassen und kam zum Schluss, dass diese deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert liegen.
Kanton erfreut
Nebst den Lärmemissionen führen die Beschwerdeführer auch ästhetische und formale Bedenken ins Feld. So sei das Baugesuch nicht vollständig und könne daher nicht bewilligt werden. Es wird zudem befürchtet, dass die Turbine das Orts- und Landschaftsbild störe. Eine Windturbine wirke als Fremdkörper, der sich zudem ständig bewege, und als unruhiger Teil auch aus der Ferne wahrgenommen werden könne. Bei entsprechendem Sonneneinfall sei zudem mit Blendungs- und Glanzeffekten zu rechnen, die das Auge irritierten und ständig Aufmerksamkeit verlangten. Nichtdestotrotz steht der Kanton hinter dem Vorhaben. Der Fachbericht Immissionsschutz ortet keine unzulässige Lärmbelastung. Und das Amt für Umwelt und Energie des Kantons zeigt sich sogar erfreut. Das Vorhaben unterstütze die Zielsetzung auf kantonaler und nationaler Ebene, den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion voranzubringen. «Damit werden auch gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Interessen bedient.» Trotzdem ist das Vorhaben vorerst mal blockiert. «Solange die Einsprachen hängig sind, kann die Gemeinde das Baugesuch nicht erteilen, auch wenn sie grundsätzlich hinter dem Vorhaben steht», sagt Markus Mariani.