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Käserei Riggisberg in Not

Riggisberg | Die Käserei schloss im vergangenen Dezember ihre Pforten. Warum und wie es wirklich war, sagen der Genossenschaftspräsident Peter Harri aus Lohnstorf und Hanspeter von Allmen, CEO ad interim, im Gespräch.

| Sonja Laurèle Bauer | Gesellschaft
Käserei Riggisberg
Die Käserei Riggisberg produziert keinen Käse mehr. Foto: Sonja L. Bauer

«Wir haben eine sehr turbulente Zeit hinter uns und haben deshalb an der letzten Generalversammlung beschlossen, die Käserei Riggisberg auf Ende Dezember 2023 zu schliessen», schrieb Peter Harri, Präsident der Käsereigenossenschaft Riggisberg der Redaktion des «Berner Landboten» im vergangenen Dezember. Mittlerweile ist die Käserei geschlossen. Der Dorfladen ist nach wie vor geöffnet, das Personal konnte bleiben, der Mieter wechselte.

Die Marge muss stimmen

Gut einen Monat später treffen wir einander in der ehemaligen Käserei in Riggisberg: Peter Harri, Hanspeter von Allmen und die Redakteurin dieser Zeitung. Wobei: Noch ist die Käserei in Betrieb, ab und zu wird hier noch Emmentaler hergestellt. Doch dazu später. «Es war eine harte Zeit», sagt der Genossenschaftspräsident. «Wir haben es uns nicht einfach gemacht, es gab so viel zu entscheiden.» So habe man ein Kommunikationskonzept entwickelt, einen Zeitplan erstellt, um zu tun, was alle schmerzte. Warum es zur Schliessung kam, erläutern Harri und von Allmen an dieser Stelle: «2018 fusionierten wir mit der Käserei Lohnstorf.» Grund sei gewesen, dass der Käser in Pension
ging. «Wir mussten eine andere Lösung finden. Die Käserei in Riggisberg lief damals sehr gut. Wir hatten Kapazitäten.» Das Käsekontingent, also die Referenzmenge, habe damals sogar aufgestockt werden können. Konkret heisst das, dass mehr Milch von den Bauern in die Käserei floss, diese also voll ausgelastet war. «Wir hatten einen Lohnkäser angestellt, der das Geschäft auf eigene Rechnung führte. Er kaufte uns die fertigen Produkte ab.» Dies sei so weit gut gegangen. So lange, bis die Freigabe der Referenzmenge, die man habe «verkäsen» dürfen, von der Sortenorganisation gesenkt worden sei. «Die Exporte gingen zurück, der Kauf von Emmentaler ging zurück. Für uns bedeutete das, dass die Milch unverarbeitet an die Industrie ging.» Im Jargon sagt man dazu: Überschussmilch. Leider habe man zeitgleich mit dem sehr guten Käser
preisliche Differenzen in Bezug auf die zukünftige Ausrichtung bekommen – «die Marge muss halt stimmen» – und habe sich getrennt. Die Genossenschaft habe Geschäft und Produktion auf eigene Rechnung übernommen und einen neuen Betriebsleiter gesucht. «Der Fachkräftemangel ist enorm», so Peter Harri. «Man findet kaum gute Leute.»

Es ist zu viel passiert

Die Riggisberger Käserei war gross: «Wir verarbeiteten 4,1 Millionen Liter Milch im Jahr, hatten die entsprechenden Käsekontingente dazu.» Im Januar 2022 habe man schliesslich einen neuen Käser anstellen können. «Leider kam es wieder zu einem Bruch. Wir waren mit der Qualität der Produkte nicht zufrieden. «Durch Fehler bei der Herstellung und Lagerung wurde ein grosser Teil der Käse unbrauchbar, dies als Folge der Schimmelbildung im Lagerkeller. Wir mussten die Maschinen und die Lagerkeller sanieren und konnten ein halbes Jahr keinen Käse produzieren, weil auch das Personal fehlte.» Zuvor habe man 1100 Stellenprozente auf 17 Angestellte in den Abteilungen Käserei, Produktion, Logistik, Auslieferung, Dorfladen und Chauffeure verteilen können. «Wir haben einen eigenen LKW, der bei den Bauern, auch bei jenen, deren Betriebe nicht an der Hauptstrasse liegt, die Milch abholen kann.»
Ein Jahr später habe man den Betrieb wieder aufgenommen und Hanspeter von Allmen als Geschäftsführer ad interim eingestellt, der sich der Sache annahm und sich später, unter gegebenen Umständen und gemeinsam mit der Genossenschaft, entschied, die Käserei auf Ende 2023 einzustellen.
Warum, Herr von Allmen? «Ich kam mit dem Ziel, Fachkräfte zu finden, einzuarbeiten, Standschäden zu bereinigen, Keller und Maschinen zu sanieren, damit wieder Käse produziert werden kann …» Er bricht ab und erklärt: «Zudem muss die Milchqualität stimmen; Milch, aus der Emmentaler AOP-Käse gemacht wird, unterliegt anderen Anforderungen als jene, die in die Industrie geht.» Um die Käserei auf den Stand vor 2018 zu bringen, habe man unzählige Sitzungen einberufen. «Wir versuchten, das Beste aus den einzelnen Mitarbeitern herauszuholen, zu schauen, dass sie ein entsprechendes Umfeld vorfanden, damit sie gute Leistungen erbringen konnten, versuchten über Team-Motivation Ziele zu erreichen und haben ihnen viel Verantwortung übertragen.» Nach anfänglicher Skepsis habe dieser Plan zunehmend funktioniert. Die Qualität habe sich Schritt für Schritt entwickelt: Von «durchschnittlich» zu «sehr gut». «Durch die Standschäden brachten wir die Anlage nicht auf ihre volle Leistung. Zudem mussten die neuen Angestellten erst lernen, die Maschinen zu bedienen, die langjährigen waren weg …» Harri ergänzt: «Dies kostete die Genossenschaft viel Geld.»

Tradition allein reicht nicht

Rückblick: Im Januar 2023 wurde wieder Käse produziert. 60 Prozent der Milch floss in die Industrie. Von Allmen: «Wir brauchten Liquidität. Würde der Käse nicht in guter Qualität gelingen, hätten wir wenigstens den Ertrag von der Milch, die in die Industrie ging.» Weil verschiedene Käsereien zusammen ein Kontingent haben, wäre es gut gewesen, eine Zentralkäserei zu schaffen. So wäre die Menge, die von aussen bestimmt wird, gesichert gewesen.» Dies bedeute, dass, falle bei einer Käserei die Produktion weg – wie in Riggisberg während des halben Jahres, in dem nicht produziert wurde – diese auf die anderen Käsereien verteilt werde. «Man muss sich dies wie einen Kuchen mit mehreren Stücken vorstellen.» Betreffend die Käserei in Riggisberg habe man nach der Produktionspause erst wissen müssen, ob der Käse gut werde. «Und dies weiss man erst nach drei Monaten, nachdem der Käse im Salzbad, im Heizkeller, im Reifekeller war und schliesslich zum Käsehändler gebracht wird.»
Es gebe einen festgelegten Vertrag: «Der Käse wird nach Qualität taxiert.» Bei der Vortaxation werde er angebohrt. «Bakterien, Menge, Verhältnis, Temperatur, Teig, Geschmack, Lochung, Erscheinungsbild, alles wird bewertet», so Harri. «Wer 18 von 20 Punkten erreicht, hat vieles richtig gemacht.» Was der Käserei Riggisberg bereits bei der ersten Charge Emmentaler gelungen sei.
«Bei den letzten Taxationen erreichten wir 19,5. Punkte, wir hatten ein absolutes Spitzenprodukt.» Sie seien auf dem richtigen Weg gewesen. Es schien, als gelinge es, den Betrieb wiederaufzubauen, die Qualität sicherzustellen, die Produkte neu zu positionieren. Hanspeter von Allmen: «Doch Fakt war, dass durch den halbjährigen Produktionsstillstand nach wie vor eine halbe Million Franken fehlte. Zudem ist das Reglement extrem strikt. Die Käsereien sind nicht frei. Sondern zu 100 Prozent fremdgesteuert.» Peter Harri: «Hätten wir diese Tatsache ausgeblendet und nicht reagiert, sondern einfach gewartet, bis die Wand kommt, dann wären wir in hohem Tempo hineingefahren. Dann wäre das Aus halt so gekommen. Die Angestellten wären auf der Strasse gelandet. Wir haben von den schlechten Lösungen nun die beste genommen.»

Der Todesstoss

Was zu diesem endgültigen Schliessungs-Entscheid führte, erklärt von Allmen: «Die Milchmenge zu generieren war hart, aber wir schafften es.»* Doch dann wurde die Basisfreigabe durch die Sortenorganisation erneut gesenkt» (auf 35 Prozent). Das heisst, dass die Käserei Riggisberg weniger Käse produzieren durfte. Der Grund der Senkung: Die Schweizer Käselager sind übervoll mit Emmentaler. Die Maschinen der Käserei Riggisberg sind ausschliesslich auf Emmentaler ausgerichtet. Die Folge war klar: Von einst über 60 Prozent der Referenz-Milchmenge durfte neu nur noch etwas über 30 Prozent «verkäst» werden. Für die Käserei Riggisberg bedeutete dies, dass ihr schliesslich fast eine Viertelmillion Franken der «normalen» Einnahmen fehlten. Von Allmen: «Die Nachfrage nach Emmentaler sinkt, weil sich die Absatzmärkte verändert haben oder eingebrochen sind.» Harri: «Das Käsen ist die effektivste Art, 1000
Liter gelieferte Milch haltbar zu machen. Wenn die Milch in Form von Emmentaler veredelt ist, so ist dies der Zins.»
So hätten sie erneut nach Lösungen gesucht. Auch, weil neue Milchverarbeitungsbetriebe nur an Bauernbetrieben Interesse hätten, die 150 000 Kilo Milch oder mehr liefern könnten. Doch an solchen Angeboten habe die Genossenschaft wiederum kein Interesse, weil die kleineren Bauernbetriebe so auf der Strecke blieben. Von Allmen: «Wir brauchten eine Vorwärtsstrategie oder eine radikale Lösung. Wir waren so gut unterwegs, dann kam dies …» Die einzige gangbare Weg sei die gewesen: die hohen Kosten der Milchabfuhr zu reduzieren und die Produktion zu schliessen. Harri: «Es ging nicht allein um das Produkt. Es fehlten auch die Käsi-Zulagen. Wir produzieren mit silofreier Milch. Das ist teuer. Das sind 15 Rappen ,die pro Kilo verloren gehen. Durch den Strukturwandel geht zudem die Milchmenge zurück.»
Und auf andere Produkte umstellen? Harri atmet hörbar ein: «Das ist kompliziert. Haben Sie genug Platz im «Berner Landboten»? Kurz: Den Genossenschaftern fehlte die Perspektive, den Bauern ging der ‹Schnuuf› aus.» Auch die Coronazeit sei ein Grund gewesen, und schliesslich auch die Kriege. «Seither ist der Export-Markt für Schweizer Emmentaler am Boden.» Ja, es sei schwierig gewesen, so Harri. «Eine Genossenschaft mit 25 Mitgliedern und verschiedenen Meinungen kann nur schwerfällig agieren. Zudem sind die Zusammenhänge komplex.» Daran sei auch die Idee, sich zusammenschliessen, gescheitert. Von Allmen: «Es wurde befürchtet, dass Traditionen wegfallen. Doch wie will man diese aufrechterhalten, wenn schlichtweg das Geld fehlt? Gemeinsam wären wir stärker gewesen. Doch auf Traditionen zu sitzen und als Mensch dabei kaputt zu gehen, ist keine gute Lösung.»
Harri: «Auch andere Käsereien in der Region haben grosse Probleme. Ich befürchte, dass, wenn es so weitergeht, es vielen ähnlich ergehen wird.» Von Allmen: «Wir haben uns schliesslich so entschieden, auch wenn es nach wie vor weh tut. Die Laden-Angestellten sind im Dorfladen oder in der Umgebung untergekommen.» Generell suche man nach einer Weiternutzung für das Haus. «Und hoffen, dass wir das Käsekontingent nach Gohl schieben können.
Was Harri wichtig ist: «Die Wahrheit über die Schliessung der Käserei
Riggisberg zu kennen: Sie beruht nicht auf Unfähigkeit, sondern auf Ereignissen, die man nicht voraussehen konnte. Sie waren dafür verantwortlich dafür sind, dass nicht genügend Käse produziert werden konnte und zu Einbussen führte. Die Betriebskosten konnten nicht mehr gedeckt werden. Und das Alter der Geräte spielte eine Rolle. Ein Ersatz hätte einen grossen Investitionsbedarf zur Folge gehabt. Kein Wunder, fehlte allen die Perspektive.» Aber: «Wir hinterlassen immerhin kein
 Chaos.»

* Zur Erklärung: Eine gute Käseproduktion in grösseren Mengen bringt mehr Ertrag und damit die Möglichkeit, den Bauern eine Nachzahlung zum Milchgeld auszuschütten, zusammen ergibt dies den effektiven Milchpreis.


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