Wir ziehen den Hut und setzten die (Baum-)Krone auf
Worb | Im Dorfzentrum von Rüfenacht steht eine prächtige, alte Krimlinde. Gut 23 Meter hoch, mit einem Kronendurchmesser von 13 Metern. Wegen eines neuen Bauprojekts hätte sie gefällt werden sollen. Doch die Gemeinde Worb macht es besser und integriert den Baum ins Projekt. Der «Berner Landbote» ehrt mit einer expliziten Berichterstattung jene Gemeinden, die sich für den Baumerhalt entscheiden. Worb geht voran.
In Rüfenacht soll gebaut werden – wieder einmal scheint ein Baum dem Projekt im Weg zu stehen und soll dafür geopfert werden. Oder besser: sollte. Denn die Gemeinde hat sich, nach der Prüfung durch den Baumpflegespezialisten Fabian Dietrich, der den Baum im Auftrag von Helvetia Nostra (Fondation Franz Weber) begutachtete, nun umentschieden: Der Baum wird ins Bauprojekt integriert. Worb wird somit zur vorbildlichen und attraktiven Gemeinde, was den so wichtigen Baumerhalt angeht.
Weil sich aufgrund der Titelgeschichte «Ein hohler Baum ist kein kranker Baum!» im «Berner Landboten» vom 19. Juni einige Gemeinden entschieden haben, ihre Bäume vor einer Fällung erst durch einen Baumpflegespezialisten (auch in Bezug auf die Sicherheit) prüfen zu lassen, ist der «Berner Landbote» bereit, diese Gemeinden explizit mit einer entsprechenden Berichterstattung zu ehren. Denn: Viele Bäume werden durch Pflegemassnahmen wieder sicher.
Nichts ersetzt diesen geschützten Baum
«Die Linde ist gestalterisch sehr wertvoll und prägt das Orts- und Landschaftsbild. Zudem ist sie ökologisch sehr wertvoll, weil im Nahbereich im Dorfzentrum sonst kein älterer Baum steht», sagt Baumpflegespezialist Fabian Dietrich. Der Baum habe im Verhältnis zum Stamm nur eine kleine Krone, weil er in der Vergangenheit regelmässig zurückgeschnitten wurde, was auch in Zukunft beibehalten werden sollte. «Durch den regelmässigen Schnitt ist eine Art Kopfschnittbaum entstanden. Der Baum konnte sich an seinem Standort gut entwickeln.» Dietrich schätzt das Alter der Linde auf 150 Jahre. «Sie ist zu Recht geschützt und nicht wegzudenken. Es wären 400 Jungbäume erforderlich, um die Umweltleistungen, die diese Linde erbringt, zu kompensieren.» Zudem: «Der Allgemeinzustand der Linde ist sehr gut, sie ist sehr vital», so Dietrich. Sie sei dicht belaubt und trage intensiv grüne Blätter. Stand- und Bruchsicherheit seien vollumfänglich gewährleistet. «Der Baum hat im Verhältnis zur Höhe einen mächtigen Stamm mit gut ausgebildeten Wurzelanläufen. Wir konnten keine nennenswerten Schäden feststellen. Er hat sich entsprechend der Nähe zum Bauernhaus an seinem Standort optimal entwickelt.» Diese Argumente überzeugten die Gemeindevertreterinnen und -vertreter wohl: Sie möchten den Baum ins Bauvorhaben integrieren. Der Bauherr ist nun gefordert, in Zusammenarbeit mit Fabian Dietrich das Projekt trotz Auflagen so anzupassen, dass der Baum erhalten werden kann. Dietrich: «Das Erhalten und Integrieren der kommunal geschützten Linde ins Bauprojekt wäre für das geplante Bauvorhaben eine grosse Aufwertung.
«Wir machen den richtigen Schritt»
Auch Worbs Gemeindepräsident Niklaus Gfeller freut sich über die Tatsache, dass der wertvolle Baum erhalten bleibt. Es habe ein, zwei Einsprachen an die Gemeinde als Grundeigentümerin gegeben. Die Einsprache der oben erwähnten Naturschutzorganisation habe Gemeindevertreterinnen und Bauherren überzeugt, so Gfeller. Darin seien stichhaltige Argumente für den Baumerhalt vorgebracht worden. «Durch diese Einsprache wurden wir erst auf diese Möglichkeiten aufmerksam.» Aber warum hätte der Baum überhaupt gefällt werden sollen? «Wir gingen unter anderem davon aus, dass der Baum die Bauarbeiten nicht überleben würde.» Doch der Baumpflegespezialist habe aufzeigen können, dass die Wurzeln während des Bauens geschützt werden können. «Ein Argument war auch, dass der Baum bereits jetzt in einem begrenzten Raum lebt und gut damit zurechtkommt.» Er sei sehr glücklich mit der neuen Situation: «Wir haben uns für den richtigen Schritt entschieden!» Gfeller findet sehr gut, dass vor einer allfälligen Baumfällung jeweils ein Baumpflegespezialist herbeigezogen werde. «Und noch etwas», so Gfeller: «Der Baum gibt schon Schatten. Er muss nicht erst wachsen, wie ein junger Baum, der vielleicht erst in 50 Jahren Schatten spendet. Das wird richtig schön!»