Nachhaltige Waldbewirtschaftung ist möglich
Thun | Der Kanton lud kürzlich zu einem Rundgang durchs durch das neue Komplexwaldreservat «Glütschbachtal» bei Thun. Er zeigte dabei auf, wie er sich um eine nachhaltige Waldbewirtschaftung bemüht, die den Naturschutz im Blick behält.
«Wir haben festgestellt, dass ein Dauerwald für diesen Standort nicht die richtige Variante ist», sagt Calvin Berli, Leiter Staatsforstbetrieb des Kantons Bern. Das Ziel sei ein vielfältiger Mischwald mit viel Laubholz. Doch mit dem Dauerwaldsystem habe das nicht funktioniert, weil man dafür zu wenig Licht hatte. So habe man das System geändert und mit «Löchern» im Wald sichergestellt, dass genug Licht an den Boden komme, damit Jungpflanzen von wertvollen Laubhölzern gedeihen könnten. Dies stelle sicher, dass ein vielfältiger Mischwald mit Bäumen unterschiedlicher Altersstufen entsteht.
Um aufzuzeigen, wie dieses System funktioniert, lud der Kanton zu einem Rundgang durch das neue Komplexwaldreservat «Glütschbachtal» bei Thun. Es war ein abenteuerlicher Rundgang an einem warmen Sommermorgen jenseits der offiziellen Pfade. Denn: «Damit man die wirklich schöne Seite des Waldes sieht, muss man weg von den Wegen», so Calvin Berli weiter. Mit von der Partie waren auch Regierungsrat und Umweltdirektor Christoph Ammann (SP), Verena Wagner, Präsidentin von Pro Natura Bern, Reto Melcher, Förster Staatsforstbetrieb, sowie Rolf Lüscher, Produkteverantwortlicher Waldbiodiversität und Waldschutz der Waldabteilung Voralpen. Ein grosses Aufgebot also, um am praktischen Beispiel zu erläutern, was das neue Naturschutzkonzept für diesen Waldabschnitt alles beinhaltet. Dieses sieht beispielsweise den Erhalt und die aktive Förderung der Biodiversität vor. Die Gesamtfläche des Reservats im Glütschbachtal beträgt knapp 80 Hektar. 84 Prozent davon gelten als Sonderwaldreservat mit Massnahmen zugunsten der Biodiversität. In diesem Teil entsteht auch Nutzholz. Dies im Gegensatz zu den restlichen 16 Prozent Fläche, bei der auf die Holzproduktion verzichtet und die als Naturwaldreservat belassen wird.
Natürlicher Kreislauf
Um den Waldabschnitt quasi zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückzuführen, wurden Massnahmen in Form eines Holzschlags ergriffen, wie Förster Reto Melcher zu berichten wusste. So habe es zuvor einen grossen Bestand an Nadelhölzern gegeben, der überdies keine gute Holzqualität und teilweise auch eine «unterdurchschnittliche Vitalität» aufgewiesen habe. Angestrebt wurde eine «standortgerechte Bestockung», die aus Lichtbaumarten wie beispielsweise Ahorn, Eiche, Kirsch- oder Nussbaum besteht. «Um in einem Wald die Baumzusammensetzung zu ändern, funktioniert das nur über die nächste Generation», führte Reto Melcher weiter aus. «Man muss in den Waldbestand eingreifen und Licht schaffen, damit neue Bäume aufwachsen können.» Dabei hat man aber durchaus auch den natürlichen Kreislauf im Blick, indem beispielsweise Totholz liegen gelassen wird, was wichtig für den Nährstoffgehalt im Boden ist.
Naturbelassen bleibt auch eine Fläche, auf welcher der Biber aktiv ist und man ihn als Landschaftsarchitekt gewähren lässt. Der Biber baut beispielsweise Dämme, um den Wasserbestand zu erhöhen oder auszugleichen, eindrücklich ist auch sein Bau im Teich, der ihm als Unterschlupf dient. Bei der betreffenden Fläche besteht ein Nutzungsverzicht, was auch Lebensräume für andere Tiere wie Amphibien oder Insekten schafft. «Der Biberbau an diesem Standort ist einer der grösseren im Kanton Bern», erklärte Verena Wagner, Präsidentin von Pro Natura Bern. Die naturbelassene Waldfläche sei sehr wertvoll, doch man wünsche sich von Seiten Pro Natura noch mehr Raum für den Biber. «Man muss zuerst aber auch herausfinden, wo die Möglichkeiten bestehen, dass sich Biberfamilien überhaupt ansiedeln können.» Es hätte hier zwar Platz für bis zu drei Biberfamilien – aktuell sind es zwei –, doch ein Problem seien unter anderem die Infrastrukturbauten, die von den Aktivitäten der Biber betroffen seien. Man müsse Lösungen finden, die beidem Platz böten. «Oder man muss sich fragen, ob gewisse Infrastrukturbauten noch am richtigen Ort sind», so Verena Wagner weiter. Letztendlich brauche es dazu ein Konzept, aber das sei in solchen Naturreservaten grundsätzlich möglich. Sie dankte des Weiteren dem Kanton für die gute Zusammenarbeit und zeigte sich überzeugt, dass auch im Sinne des Naturschutzes für alle tragbare Lösungen möglich seien, solange man miteinander in den Dialog trete.
Mehr Reservate
Auch Regierungsrat und Umweltdirektor Christoph Ammann (SP) empfand die Zusammenarbeit mit Pro Natura als sehr fruchtbar. «Der Staatsforstbetrieb hat in den letzten Jahren nicht nur gute Schlagzeilen erhalten», sagte er. So sei oft über sogenannte Kahlschläge berichtet worden, doch diese hätten auch ihre Gründe. So gebe es Flächen, die beispielsweise aufgrund von Sturmschäden frei würden. Oder Rodungen dienten, wie eingangs erwähnt, der Verjüngung, doch das Resultat sehe man oft erst Jahrzehnte später. Es gehe bei der Waldbewirtschaftung auch darum, schützenswerten Tieren und Pflanzen Lebensraum zu schaffen. «Wir bemühen uns, am richtigen Ort das Richtige zu tun», so Christoph Ammann weiter. Im Fall des Waldreservats hier sei es gelungen, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen. Doch das bedinge auch, dass man sich auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einlasse. So wolle man in Zukunft noch vermehrt versuchen, solche Reservate wie hier herzustellen.