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«Wir machen es mit der Natur»

Flughafen Bern | Der «Berner Landbote» war dabei, als das erste Flugzeug in diesem Jahr in Belp landete. Die Dash 8, eine Propellermaschine der
Avantiair mit 76 Sitzplätzen, flog mit 600 Stundenkilometern in 40 Minuten von Calvi hierher. Urs Ryf, Geschäftsführer und Verwaltungsrat, im Gespräch. 

Urs Ruf
Urs Ryf vor der ersten Maschine, die in dieser Saison in Belp landete. Foto: Sonja L. Bauer

 In einer Stunde wird die Dash 8 auf dem Flughafen Bern landen. Bis dahin haben die Besucherin und die Besucher Zeit, die Sicherheitskontrolle zu passieren. Dann ist es so weit: Die Feuerwehr fährt auf den Taxiway und bespritzt die gelandete Chartermaschine mit Wasser. Wie dies bei einem Erstflug Tradition ist. Urs Ryf, Geschäftsführer und Verwaltungsrat, empfängt die Journalistin und die Journalisten höchstselbst und nimmt sich an diesem Sonntag fast drei Stunden Zeit, um sie am Flughafen­geschehen, am Start in die Flug-Sommersaison, teilhaben zu lassen. 

Warum chartert Bern Airport die Maschinen, Herr Ryf? «Dadurch, dass wir Charterflüge anbieten, braucht es zwar etwas mehr Personal. Das heisst, wir haben bei jedem Charterflug während dreier Stunden mehr Personal als die Woche durch.» Unter dem Strich lohne sich dies besser: «Durch die variablen Kosten haben wir weniger Fixkosten. Festangestellte wären ein Kostentreiber.» Im Winter gebe es keine Charterflüge. Als er vor Jahren nach Belp gekommen sei, sei es noch anders gewesen. «Wir änderten das Konzept in wenigen Wochen, das Bundesamt für Zivilluftfahrt genehmigte es.» 

Hangar aus der Kriegszeit

110 Personen arbeiten zurzeit auf und für den Flughafen Bern. Dies in 47 Vollzeitstellen, die geteilt werden. Davon seien 34 Festangestellte mit unterschiedlichen Pensen, so Urs Ryf. «Die restlichen Angestellten arbeiten im Stundenlohn.» Ohne dieses Modell sei es nicht möglich, die Plattform zu betreiben. «Wir schreiben schwarze Zahlen, wir konnten sogar einen kleinen Gewinn erwirtschaften.» Oberstes Ziel sei es, den Betrieb kostendeckend sicherstellen zu können. 

Viele der bestehenden Flughafengebäude seien an die hundert Jahre alt. Der Hangar zum Beispiel stamme aus dem Jahr 1939. «Aber er steht noch und hält Wind und Wetter stand.» Leider sei es nicht möglich die Infrastruktur nachhaltig zu renovieren, dafür sei der Cashflow zu gering. Schliesslich sei der Flughafen eine privatrechtliche AG, die öffentliche Hand sei nur mit 7,3 Prozent vertreten. «Das ist einmalig in der Schweiz.» Genf und Zürich seien zu 100 Prozent öffentlich. «Daher sind wir schon stolz. Dass wir in der Lage sind, mit so wenig Beteiligung der öffentlichen Hand die Plattform profitabel zu betreiben. Es wäre kein nachhaltiges Geschäftsmodell, wenn jedes Mal die öffentliche Hand helfen soll.» 

Der Hauptstadt-Flughafen

Der Flughafen werde finanziell von vier «Standbeinen» getragen, so der Geschäftsführer: «Das Chartergeschäft ist rein vom Volumen her das Stärkste. Wir finanzieren uns über Gebühren: die Landegebühr und die Passagiergebühr.» Das zweite Standbein sei die sogenannte Channel-Aviation, dazu gehöre die Kleinaviatik, also die Helikopter. «Das summiert sich alles unter dem zweiten Standbein.» Das dritte: «Unsere Landesregierung fliegt ab Bern, Belp ist ja auch der Hauptstadtflughafen. Und auch die Flugzeuge der diplomatischen Besuche des Bundes landen hier. Wenn es nicht gerade eine Air Force One ist – diese kann hier nicht landen.» (lacht) Auch Volodymyr Selenski sei hier gelandet, vor Kurzem. «Aber da war natürlich alles komplett abgeriegelt.»

Viertes Standbein seien die nicht­aviatischen Erträge. Das, was allen Regionalflughäfen mit wenig Passagieren helfe, Erträge zu erschliessen: die Shoppingmöglichkeiten, die Vermietung von Parkplätzen und Büroflächen. Dies seien Dienstleistungen, die rentierten. «Sie helfen, die aviatischen Geschäfte querzufinanzieren.» 60 000 Passagiere verzeichnete der Flughafen Bern im vergangenen Jahr. Was zur Flughafen-Finanzierung natürlich nicht reiche.

Die Belpmoos Solar AG

Deshalb kreierte der Flughafen nun ein weiteres Standbein: die Belpmoos Solar AG. «Wir werden Stromanbieter und Anbieter erneuerbarer Energien», so Urs Ryf und deutet auf das betreffende Feld, 25 Hektar gross. Die Baubewilligung liege, wenn alles gut laufe, im Frühjahr 2026 vor. «Ans Netz gehen wir im Herbst darauf.» Natürlich sei mit Einsprachen zu rechnen. «Aber ich bin zuversichtlich.» Die neu gegründete Belpmoos ­Solar AG gehöre zu 51 Prozent der BKW – die wiederum zu 53 Prozent der Stadt Bern gehört –, zu 39 Prozent dem Flughafen und zu 10 Prozent «Energie Wasser Bern» (EWB). «Mit im Boot zu sein, war ein Wunsch der Baueigentümerin, der Stadt Bern.» Und so sei das Set-up nun gut. «Wir ergänzen uns gut und werden die Finanzierung auch anteilsmässig sicherstellen müssen.»

Die Belpmoos Solar AG habe das Land in Unterpacht, das Unterbaurecht gehe an sie, und «wir zahlen der Stadt Bern einen Baurechtszins. So kann auch sie profitieren. Und auch für den Flughafen ist es eine Geldquelle, wovon er profitieren kann.» Für den Flughafen sei dies eine überlebenswichtige Ertragsquelle, «weil sie uns eben finanziell unabhängig macht. Das ist unser grosses Anliegen.» Die Sicherheit sei gewährleistet, die Panels entspiegelt, die Oberflächen satiniert. «Dadurch reflek­tieren sie nicht mehr. Der Flughafen Wien war unser Vorbild.» 

Nicht auf Kosten der Natur 

Aber was ist mit dem Naturschutz? Die Lebewesen, die dort leben, werden sich über das Projekt nicht freuen … «Im Gegenteil», sagt Ryf, «wir machen es mit der Natur.» Das für die Panels gewählte Perimeter sei ein regionaler Trockenstandort. «In jeder Phase des Projekts haben wir Biologen beigezogen, die kartierten. Wir sind zudem im Gespräch mit den verschiedenen Umweltorganisationen.» Wichtig sei, dass man, wenn man das Projekt kritisiere, von Fakten ausgehe. «Wir wissen mittlerweile genau, welche Arten dort leben.» So könnten Ausgleichsmassnahmen präsentiert werden. «Zwischen den Panels gibt es jeweils 3,3 Meter Distanz, dort wird weiterhin ‹gheuet›». Und da dies ja nicht täglich geschehe, könnten unter den Panels gar neue Lebewesen, neue Arten heimisch werden. «Es entsteht neuer Lebensraum.» Künftig werde es mehr Schatten geben statt Brachland. «Es wird Tiere anziehen, welche Feuchtigkeit schätzen. Es wird eine hohe Biodiversität entstehen.» Heute gebe es nur Steinhaufen, «sonst hat es dort keine Strukturen.» Urs Ryf ist überzeugt: «Die Natur kann damit umgehen, wir werden die Perimeter beleben, Feuchtgebiete schaffen, die Biodiversität steigern. Das ist mir ein Anliegen. Wir werden gute Lösungen finden. Wir sind mit diesbezüglichen Fachpersonen in regem Austausch.» 

Landwirtschaft und Linienflüge

Die Panels sollten auch nicht auf Kosten der Landwirtschaft gehen, sagt Ryf. «Sechs Bauern werden weiterhin Heuwirtschaft betreiben.» Einer sei ein Schäfer, für ihn werde die neue Situation ideal sein. «Wo der Fadenmäher nicht hinkommt, kommen die Schafe hin. Ausserdem sind sie vor Sonne und Regen geschützt.» Aber widerspricht dies nicht dem Biodiversitätsgedanken? «Nein, die Schafe sind ja nicht das ganze Jahr über da.»

Ausserhalb der Chartersaison vermarkte der Flughafen Bern die Abflughalle, von Ende Oktober bis Ende April: für Firmenanlässe oder auch Partei­anlässe. 

Sichtanflug versus Autopiloten

Dann plötzlich ist sie da, die Maschine aus Korsika. Geflogen von einer Flugkapitänin. «Wir haben einen Anflug von Süden, also einen Sichtanflug», erklärt Ryf. Was bedeutet dies? «Wenn die Windverhältnisse es nicht zulassen, die Stadt anzufliegen und danach von der Stadt her zu landen, dann muss man den Anflug abbrechen – ungefähr über der Stadt – und wegdrehen, ungefähr 30 Grad, um danach über Allmendingen, Rubigen zu fliegen. Die Pilotinnen und Piloten fliegen selbst, also nach Sicht.» Als Pilot müsse man das können, keine Frage, «aber für eine Airline ist es nicht unbedingt das, was sie will. Sie will vor allem hohe Sicherheit.» Die werde mit einem geraden Anflug mit dem Autopiloten gekoppelt und so besser gewährleistet. Nur noch die Landung bleibe dann explizit dem «Faktor Mensch» überlassen.

Was den Sichtanflug betreffe, so ändere sich nun einiges. Ab März 2025 gebe es einen satellitengestützten Anflug. «Das heisst, dass man auch von Süden her nach Instrumenten fliegen kann.» Wie darf man das verstehen? Für eine Fluggesellschaft bedeute es, «dass, wenn sie vielleicht 100 Piloten hat, doch nur zwanzig darunter sind, die eine Zulassung für den Flughafen Bern haben. Also die entsprechende Einweisung erhielten.» Dies sei eine Auflage, die bei der Einsatzplanung beachtet werden müsse. «Deshalb kann der Satelliten-gestützte Anflug zum Gamechanger für eine Airline werden.» 

Mit dem Auto

Für den Rückflug von Bern nach Calvi kommen die beiden Piloten mit dem Auto nach Belp und fliegen nun mit der Besatzung nach Calvi. Dort erhalten sie die entsprechende Einweisung, da sowohl Bern als auch Calvi –«sowohl topografisch als auch von der Piste her» – herausfordernde Flughäfen sind. Helvetic Airways, zum Beispiel, habe rund zwölf Pilotinnen und Piloten, die meisten davon Bernerinnen und Berner, die den Flughafen kennten und die entsprechende Einweisung erhalten hätten. 

Die Piste in Bern sei kurz. 1730 Meter lang und nur 30 Meter breit. «Ja, es sind hier halt schon zwei schwierige Landebahnen.» Für die kleineren, klassischen Maschinen der Airbus-Familie dürfte dies, gemäss Urs Ryf, aber kein Problem darstellen. Ein Airbus A320 könne von Bern aus halt nicht mit 180 Personen starten, sondern höchstens mit 120, je nach Destination. Dies sei für viele Airlines halt nicht attraktiv genug. Helvetic Airlines zum Beispiel habe den Embraer 190 oder den kleinen Airbus A220: «Das sind die beiden Flugzeugmodelle, die optimal zu unseren Rahmenbedingungen passen.» 

Unterdessen sind die Passagiere eingestiegen, der Maschinen-Check ist abgeschlossen, die Dash rollt auf die Startbahn, gewinnt an Geschwindigkeit – und hebt ab. 

40 Minuten später wird sie in Calvi landen, da werden noch nicht alle der anwesenden Journalisten daheim sein.


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