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KMU fehlt Geld und Personal

Kanton | Der Fachkräftemangel und finanzielle Druck beschäftigten die Berner KMU im vergangenen Jahr am meisten. Dabei gehen sie vielfältig mit den Herausforderungen um.

| Thomas Abplanalp | Wirtschaft
Fachkräftemangel
Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll mehr gefördert werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Foto: Pixabay

Das Berner KMU-Barometer 2023 erfasst die wichtigsten Themen der Berner KMU im vergangenen Jahr. Die Ergebnisse basieren auf einer Umfrage bei über 1000 Berner Unternehmerinnen und Unternehmern. Die beiden meistgenannten Themen sind dieselben wie im Vorjahr: 58 Prozent der Unternehmen geben an, sehr stark vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. 41 Prozent bereitet der finanzielle Druck Sorgen. Im ersten Barometer von 2020 sorgten sich nur 24 Prozent um die Finanzen, der Druck diesbezüglich ist also deutlich gestiegen. Ein Grund dafür liegt unter anderem in den hohen Energiekosten, welche im Jahr 2022 noch 31 Prozent der Unternehmen, im Jahr 2023 nur noch 12 Prozent beschäftigten. In der Umfrage beantworteten die KMU auch, welche Ideen ihrer Ansicht nach dabei hülfen, den Fachkräftemangel zu beheben. Am meisten Potenzial sehen sie in der Steigerung des WIR-Gefühls. Zudem bedürfe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einer grösseren Förderung. Und das Angebot an Teilzeitstellen gelte es zu vergrössern.

Nachwuchsförderung

Nebst den Umfrageergebnissen lässt das Berner KMU-Barometer 2023 verschiedene Unternehmerinnen und Unternehmer erklären, was sie gegen den Fachkräftemangel tun. Matthias Wandfluh von der Wandfluh AG in Frutigen zum Beispiel fördert in seinem Unternehmen den Nachwuchs: «Im Kampf gegen den Fachkräftemangel setzen wir bei der Berufsbildung an und versuchen, Jugendliche bereits früh für eine Berufslehre in unserer Industrie zu begeistern und ihnen eine attraktive Ausbildung zu ermöglichen.» Dies zeige auch langfristig Wirkung.

Bernhard Emch von der Emch-Aufzüge AG in Bern schlägt in die selbe Kerbe: «Wir müssen jeden Tag für unsere Berufe werben und uns in der Ausbildung der Lernenden maximal engagieren! Wir haben uns deshalb in unserer Branche zusammengeschlossen und betreiben einen eigenen Ausbildungsverein, in welchem wir die Mitarbeitenden stetig aus- und weiterbilden.» Und durch eine eigene Akademie könnten sich Mitarbeitende noch konsequenter weiterbilden, ist Emch überzeugt.

Dieselben Prioritäten setzt Walter Haas von der Herzog Bau und Holzbau AG in Stettlen: «Man sollte bereits in der Schule für die Berufslehre sensibilisieren.» Um wieder genügend Fachkräfte zu finden, lüden sie Schulen und Eltern zu Betriebsbesichtigungen ein. Es sei wichtig, allen Menschen, mit oder ohne Einschränkung, eine Chance zu geben und Anlehren wieder mehr zu fördern, betont Haas. Zudem sollten auch Asylsuchende die Chance haben, einen Beruf mit Zukunft zu lernen.

Mehr Leidenschaft

Ein Problem des Fachkräftemangels sieht Partrick Balmer von der Carrosserie Spiez AG bei den Betrieben selbst. Vielen mangle es an Leidenschaft und Berufsstolz. Seine Branche stehe in keinem guten Licht. Deshalb orientierten sich viele Lernende schon kurz nach Abschluss der Ausbildung um. Dementsprechend brauche es Geduld, geeignetes Personal zu finden.

Eine rettende Massnahme bestand in der Anstellung eines Mitarbeitenden, «der sich ausschliesslich um die Ausbildung kümmert». Laufe alles nach Plan, könnten sie so bis zu acht Lernende gleichzeitig ausbilden.

Innovation ist für Balmer auch bei der Rekrutierung wichtig: «Unsere Lernenden sollen an Berufsmeisterschaften teilnehmen und dort zeigen können, dass sie zu den Besten ihres Fachs gehören. Wir stellen ihnen die nötige Betreuung und Umgebung zur Verfügung.» Dafür befinde sich sogar ein Neubau mit Schulungsräumen in der Bauphase.

Quereinsteiger

Aber nicht in jedem Betrieb fehlt Personal. Obschon der Fachkräftemangel in ihrer Branche akut sei, hätten sie aktuell keine Probleme, sagen Severin und Martin Schwander von der Metzgerei Schwander in Belp und Riggisberg. Nebst der Ausbildung von Lernenden schult die Metzgerei Personal aus anderen Lebensmittelberufen um.

Auch die Rugenbräu AG stellt explizit Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger ein. Diese kämen häufig aus verwandten Bereichen in der Lebensmittelproduktion, aus der Technik oder auch aus dem Gastgewerbe. Dafür «werden sie von unseren Braumeistern und Mitarbeitenden dann an die Materie herangeführt und mit einem entsprechend aufwendigeren Einführungsprogramm eingearbeitet», sagt Geschäftsführer Remo Kobluk. Zudem will sie mit einem internen Programm die Jugend über attraktive Ausbildungsangebote für Praktikanten und Lernende gewinnen.

Ein gutes Betriebsklima

Aber nicht nur die Nachwuchsförderung ist von grosser Bedeutung. Ein gutes Betriebsklima helfe bei der Fachkräftesicherung, ist Tobias Meyer von Bill und Meyer Gärten in Köniz überzeugt. Dieses sei auf der Basis einer authentischen und glaubwürdigen Unternehmenskultur aufgebaut. Dazu gehörten eine «gelebte Wertschätzung gegenüber allen Mitarbeitenden sowie transparente und flexible Arbeits- und Freizeitmodelle», sagt Meyer, «diese nehmen Bezug auf heutige Bedürfnisse».

Auch bei der Kommunikationsagentur Republica AG aus Bern liegt der Schwerpunkt intern auf der Firmenkultur. Gemäss CEO Bala Trachsel soll diese optimal bei der Gewinnung von jungen, kreativen Menschen helfen. «Extern unterstützen wir mit unseren Kampagnen andere Unternehmen in ihrer Nachwuchsförderung», so Trachsel. Dadurch entstehe eine Wechselwirkung, weil die eigenen Mitarbeitenden sinnstiftende Projekte schätzten. Dies wiederum helfe bei der Rekrutierung.

Zudem engagiert sich Trachsel mit ihrem Team im Namen der Initiative «BEstouz». Diese setze sich dafür ein, dass «Gesetzgebung und Politik so gestaltet werden, dass das Berner Unternehmertum nicht nur erhalten, sondern auch gefördert wird». Dies solle den Fachkräftemangel entsprechend nachhaltig abfedern.

Cyber-Sicherheit in Gefahr

Nebst personellen und finanziellen Sorgen beschäftigt auch die Cyber-Sicherheit immer mehr KMU. Um sich vor Cyber-Angriffen bestmöglich schützen zu können, bräuchte es hier mehr Aufklärungsarbeit, vor allem innerhalb der kleineren Unternehmen. Bisher erlebte rund jedes sechste Unternehmen einen Cyber-Angriff. Die Tendenz ist jedoch steigend.


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