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Mögen Sie Kunst oder Politik?

Mögen Sie Kunst oder Politik? Das eine schliesst das andere nicht aus. Kunst kann politisch sein, Kunst kann politi­sieren – und manchmal ist geschickte Politik sogar auch eine Kunst. Doch bleiben wir bei der Kunst oder besser: bei politischer Kunst. Radikale Kritik an Gesellschaft und Politik betrieb der Dadaismus. Diese Kunstströmung entstand in den letzten Jahren des ersten Weltkrieges und verstand sich als Protestbewegung. Sie entstand in der Schweiz, bekannt war das «Cabaret Voltaire» in Zürich, wo sich namhafte Kunstschaffende dieser Zeit die Klinke in die Hand gaben. Die Dadaisten lehnten die damaligen politischen, moralischen und ästhetischen Werte ab und nutzten die Bewegung als eine Form des Protestes gegen gesellschaftliche und künstlerische Konventionen. Entstanden sind Werke, die sämtliche Regeln – auch der Kunst – ablehnten. Die schrägen, sinnentleerten Werke, die als konzeptlose Antikunst daherkamen, verstanden sich als Protestbotschaft gegen das kriegsführende Establishment. Aber auch gegen die arrivierten Künstler jener Zeit, die mitbestimmten, was Kunst zu sein hat. Zu einem weltweiten Sinnbild dafür wurde ausgerechnet ein Pissoir. In New York wurde 1917 eine Kunstausstellung geplant und ausgeschrieben, die eine «freie und unzensierte» Teilnahme versprach. Marcel Duchamp reichte ein unter dem Pseudonym R. Mutt signiertes Pissoir ein, das auf dem Kopf stand und so seiner eigentlichen Funktion beraubt war. Das Objekt löste bei der «Society of Independent Artists», welche die Ausstellung organisierte, eine hitzige Diskussion darüber aus, was Kunst ist. Schliesslich wurde das Objekt unter dem Titel «Fountain» (Brunnen) nicht in die Ausstellung aufgenommen. Doch die Ausstellung wurde vor allem bekannt durch dieses nicht gezeigte Objekt. Ein Alltagsgegenstand wurde zu Kunst, zu Kunstkritik und zu einem kunstpolitischen Statement.

Manchmal vermisse ich den radikalen und provokanten Humor jener Zeit!