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Ideenreichtum und Agilität ist gefragt

Lebensmittelhandel | Der Schweizer Lebensmittelhandel wird von Grossverteilern wie Coop und Migros dominiert. Doch kleine Geschäfte haben durchaus eine Chance. Die beweist beispielsweise das Dorfplatz-Zentrum in Seftigen.

| Adrian Hauser | Wirtschaft
Metzger
Wird in die Fusstapfen seines Vaters treten: Nicolas Moser vom Dorfplatz-Zentrum Seftigen. Bild: Adrian Hauser

«Der Lebensmittelhandel ist in der Schweiz grundsätzlich sehr stabil unterwegs und schreibt per Ende September 2024 bessere Umsätze als gegenüber der Vorjahresperiode», sagt Dagmar Jenni, Direktorin der «Swiss Retail Federation». Die Organisation repräsentiert 1600 Detailhandelsunternehmen, die zusammen über 25 Milliarden Franken Umsatz generieren. Die in Sachen Lebensmittel gemäss Bundesamt für Statistik marktführenden Coop und Migros befinden sich nicht unter den Mitgliedern, wohl aber Lidl oder Volg. Generell sind gemäss Dagmar Jenni die Preise in der Schweiz für Lebensmittel im Vergleich zum benachbarten Ausland höher. Dies liege vor allem an den Kosten in der Schweiz, die im Schnitt 50 Prozent höher seien als im umliegenden Ausland – so etwa auch die Kosten für Mieten, Lohn oder Einkauf. Das ist der Grund, weshalb es viele Konsumentinnen und Konsumenten ins Ausland zieht. Einkaufstourismus nennt man dies. Und wer in der Schweiz einkauft, greift oft beim Discounter zu, oder greift auf die günstigsten Produkte bei den Grossverteilern zurück und profitiert dort beispielsweise von Aktionen. Aber nicht alle kaufen so ein. «Es gibt durchaus auch Personen, die Qualität und Regionalität höher einstufen als den Preis», sagt Dagmar Jenni. Grundsätzlich ist den Konsumentinnen und Konsumenten in ländlichen Gebieten wie beispielsweise dem Einzugsgebiet des Kantons Bern der Bezug zur Region wichtiger als in städtischen Gebieten. Lokale, kleine Anbieter, wo man einen Schwatz halten kann und eventuell den regionalen Hersteller gewisser regionaler Produkte kennt. solche Anbieter heben sich anders ab als durch den Preis. Das Thema Zugehörigkeit und Lokalität sind dann Entscheidkriterien, die wichtiger sind als der Preis. Die günstigen Preise können diese Anbieter bei gewissen Produkten schon aufgrund mangelnder Skaleneffekte nicht anbieten. Doch gemäss Dagmar Jenni gibt es für kleinere Läden Möglichkeiten, dies wettzumachen. Eine Möglichkeit ist, sich zu Einkaufsgemeinschaften zusammenzuschliessen, womit man beim Einkauf Mengenrabatt erhält und danach die Produkte im Verkauf günstiger anbieten kann. Die Preise zu senken, ist aber nur eine Möglichkeit, Kundinnen und Kunden anzulocken. Eine andere Strategie ist eine verstärkte «Kuratierung», wie Dagmar Jenni es nennt. Das heisst, man bietet etwas Exklusives an. «Warum nicht einmal eine indische Woche mit einem indischen Koch vor Ort organisieren und Produkte anbieten, die es so sonst nirgendwo gibt?», sagt Dagmar Jenni, um ein illustratives Beispiel zu nennen. Es brauche flexible Gesamtstrategien, und grundsätzlich seien kleine Detailhändler agiler als Grossunternehmen.

«Grundversorgung sicherstellen»

Dass man sich durch Ideenreichtum und Agilität gegenüber den Grossverteilern behaupten kann, beweist das Dorfplatz-Zentrum in Seftigen. Dem Zentrum liegen zwei Hauptstrategien zugrunde: Diversifizierung einerseits, und Zusammenschluss verschiedener Einzelgeschäfte andererseits. Das Dorfplatz-Zentrum ist eine Firma, die von Walter Moser und Peter Muster gegründet wurde und verschiedene Geschäfte unter einem Dach vereint: ein Restaurant, eine Metzgerei und ein Volg mit integriertem Backwarenangebot. Gleichzeitig gibt es auch einen Partyservice, und verschiedene Verkaufswagen touren in den umliegenden Dörfern herum.
«Wir wollen damit die Grundversorgung sicherstellen», sagen Walter Moser und sein Sohn Nicolas Moser. Und man profitiere dabei voneinander. Die Metzgerei kann vom Restaurant gekochte Gerichte wie aktuell zum Beispiel Rehpfeffer anbieten, das Restaurant wiederum bezieht das Fleisch von der Metzgerei, und der Volg, der an sieben Tagen die Woche geöffnet hat, kann am Sonntag abgepackte Produkte der Metzgerei verkaufen. Die Produkte der Bäckerei werden von einem lokalen Produzenten eingekauft. Mit der Bäckerei will man der Kundschaft einen Mehrwert bieten, den es in anderen Volgläden nicht gibt. Und der Volg seinerseits ist Teil einer grösseren Einkaufsgemeinschaft, wodurch die Preise tief gehalten werden können. Unter Einhaltung des Verkaufskonzeptes kann im Volg das Sortiment selbst gestaltet werden. Und der Partyservice bietet Produkte von der Metzgerei wie etwa Fleischplatten oder je nach Wunsch gekochte Gerichte vom Restaurant an. Die verschiedenen Betriebe der Firma greifen gemäss Walter Moser ineinander wie gut geölte Zahnräder. Im ländlichen Gebiet wie Seftigen habe man zudem einen Standortvorteil: «Der Bodenpreis ist günstiger als in der Stadt», sagt er.
Bei allen Angeboten setzt man auf Qualität, Regionalität und Saisonalität. Es gibt immer ein Sonderangebot, das unter dem Begriff «Hammerpreis» läuft. Dabei kann man qualitativ gute Produkte, von denen gerade eine gros­se Menge vorhanden ist, zu günstigen Preisen erstehen. Gemäss Walter Moser schaut die Kundschaft in ländlichen Gebieten eher auf den Preis. «Doch die Qualität ist unser höchstes Gut», führt er weiter aus. Das Dorfzentrum schafft also den Spagat zwischen hochwertigen Produkten und preiswerten Angeboten. Dies mit einer grossen Vielfalt und eigenen Produkten aus der Metzgerei, die es sonst in dieser Art nirgends gibt. Produkte der Metzgerei wurden vom Schweizer Fleischfachverband sogar mehrfach ausgezeichnet. So etwa der «Bauernhamme», der Modelschinken, die Bauernbratwurst, die «Chefeli-Wurst» oder die Grillbratwurst.


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